Ex-Kommunalpolitiker von ETA ermordet


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48 Stunden vor den Parlamentswahlen

Knapp 48 Stunden vor den spanischen Parlamentswahlen schalteten sich die baskischen Terroristen der ETA mit einem Mord in den Wahlkampf ein. Isaías Carrasco, ein ehemaliger sozialistischer Kommunalpolitiker, wurde am 7. März in Mondragón in der baskischen Provinz Guipúzcoa auf offener Straße und vor den Augen seiner Frau und einer seiner Töchter mit fünf Schüssen ermordet.

Bilbao/Mondragón – Es ist der erste ETA-Mord im Baskenland seit fünf Jahren.

Die Tat ereignete sich, als der 42-jährige Vater von drei Kindern – 20, 17 und 4 Jahre – gegen 13.25 Uhr das Haus verließ und gerade in sein Auto gestiegen war, um wie immer zu seiner Arbeit zu fahren. Nach einem Augenzeugenbericht stellte sich ihm ein bärtiger Mann in den Weg und schoss fünfmal durch die Windschutzscheibe auf ihn. Daraufhin rannte er weg und stieg in ein Auto, in dem ein anderer Terrorist auf ihn gewartet hatte. Schwer verletzt konnte sich Carrasco gerade noch aus dem Auto hieven, bevor er auf der Straße zusammenbrach.

Seine 20-jährige Tochter hatte die ganze schreckliche Szene vom Fenster aus verfolgt. Zusammen mit ihrer Mutter eilte sie ihm zu Hilfe. Wenige Stunden später erlag er jedoch im Krankenhaus seinen Verletzungen. Auf eigenen Wunsch war Carrasco einer der wenigen Politiker im Baskenland, die sich weigerten, Personenschutz in Anspruch zu nehmen.

Wahlkampf abgebrochen

Auf politischer Ebene wurde umgehend beschlossen, den Wahlkampf verfrüht abzubrechen. Erstmalig konnte sogar erreicht werden, dass sich alle im Parlament vertretenen Parteien auf eine einheitliche institutionelle Erklärung einigten, die auch von den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden unterzeichnet wurde.

Die konservative Opposition konnte es jedoch selbst in dieser Extremsituation nicht unterlassen bekannt zu geben, dass ihre Forderungen diesbezüglich („keine Verhandlungen mit der ETA“ und die Aufhebung des parlamentarischen Beschlusses, mit dem 2005 die Friedensverhandlungen genehmigt wurden) in die Erklärung aufzunehmen,  nicht akzeptiert worden waren. Die gemeinsame Erklärung endete dennoch mit den Worten: „Der Terrorismus kann nur durch die Einheit und den Zusammenhalt aller Demokraten und mit der Stärke des Rechtsstaates be­kämpft und besiegt werden.“

Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero, der das Attentat aufs schärfste verurteilte, beschuldigte die Terroris­ten „die friedliche Willensbekundung der Bürger an den Urnen“ gestört zu haben.

Einen Tag nach den Wahlen fanden spanienweit Schweigeminuten und Demonstrationen statt, mit denen das Attentat verurteilt und an das Todesopfer erinnert werden sollte. Besonders Aufsehen erregend war die Kundgebung in Mondragón, dem Heimatort Carrascos, wo sich Tausende Demons­tranten eingefunden hatten. Angeführt wurde der Protestzug von Carrascos Frau Marian Romero und seinen beiden ältesten Töchtern Sandra und Ainara. Auf einem riesigen Plakat war zu lesen: „Für die Freiheit – ETA nein“.

Dass diese von offizieller Seite einberufene Kundgebung etwas Ungewöhnliches und Besonderes ist, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass Mondragón eigentlich eine Hochburg ETA-naher Parteien und Anhänger der Terroristen ist. Seit den vergangenen Kommunalwahlen regiert hier unterstützt von IU die ANV, die wegen ihrer Nähe zu den Terro­risten nicht bei den Parlamentswahlen antreten durfte. ANV hat das Attentat nicht verurteilt. IU hat umgehend die Koalition aufgekündigt. Ein Misstrauensvotum wird über die weitere Zukunft der Regierungsmannschaft entscheiden.

 

Die älteste Tochter des Todesopfers ruft zur massiven Wahlbeteiligung auf

„Lasst euch nicht von den Mördern manipulieren“

Sandra, die älteste Tochter des von der ETA ermordeten ehemaligen PSOE-Stadtrats, gab Politikern wie Bürgern eine Lektion in Sachen Stärke und demokratischen Bewusstseins. Am Tag der Beerdigung ihres Vaters, einen Tag vor den Parlamentswahlen, wandte sie sich an die Medien und forderte unter anderem, dass niemand den Mord an ihrem Vater für politische Zwecke missbrauche. Niemand solle sich dadurch manipulieren lassen, meinte sie weiter und forderte schließlich dazu auf, sich massiv an den Wahlen zu beteiligen. „Ich und meine Mutter und wir alle werden wählen gehen. Das ist es, um was ich bitte: Dass jeder wählen geht. Wer sich mit meinem Vater und unserem Schmerz solidarisch zeigen will, der gehe wählen, um den Mördern zu zeigen, dass wir keinen Schritt zurückgehen.“

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