Hafenbau in Granadilla beginnt


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Grünes Licht für umstrittenstes Bauprojekt Teneriffas

Im Vergleich zu dem Nutzen, den die Allgemeinheit aus dem zukünftigen Hafen ziehen wird, sei der Verlust der Seegraswiese, die dem Bau des Mammutprojektes in Granadilla zum Opfer fallen wird, durchaus zu verschmerzen.

Dieser Meinung ist jedenfalls der kanarische Umweltminister Domingo Berriel, der am 3. Februar die Anordnung unterzeichnete, mit der die Seegraswiese auf dem Meeresboden vor Granadillas Küste  aus dem „Katalog geschützter Spezies der Kanaren“ entfernt wird.

Damit haben die Befürworter des umstrittenen Hafenprojektes die wohl letzte Hürde genommen, die den Bau noch hätte verhindern können. Während wenige Tage später auf dem Gelände des zukünftigen Hafenkomplexes bereits die Vorbereitungen für den eigentlichen Bau begannen, war die Empörung bei den zahlreichen Projektgegnern groß.

Unter anderem meldeten sich renommierte Wissenschaftler der Universität La Laguna zu Wort. Sie riefen zu einer Demonstration am 14. März (12 Uhr, Plaza Militar in Santa Cruz de Tenerife) auf, bei der der umgehende Baustopp gefordert und gegen die Vorgehensweise protestiert werden soll, in welcher die Be­hörden dieses Projekt schluss­endlich doch noch verabschiedet haben.

Dabei wurde nicht nur betont, dass die Seegraswiesen von großer Bedeutung für das ökologische Gleichgewicht des Meeres seien. Viel schlimmer noch sei, dass die Art und Weise, in welcher die Regionalregierung der Seegraswiesen-Population ihren unter anderem durch EU-Recht zugesicherten Schutzstatus kurzerhand und allen gegenteiligen Gutachten zum Trotz wegnahm, einen „gefährlichen Präzedenzfall“ darstelle. 

Mit einer simplen Unterschrift hat der kanarische Umweltminister Domingo Berriel schlussendlich die wohl letzte Hoffnung der Gegner eines der polemischs­ten Bauprojekte, das es je auf Teneriffa gegeben hat, zunichte gemacht.

Am 3. Februar unterzeichnete Berriel die Anordnung, mit der die Seegraswiesen-Population, die den Meeresboden vor der Küste Granadillas bevölkert, aus dem „Katalog geschützter Spezies der Kanaren“ entfernt wird. Damit hat die kanarische Regierung die wohl letzte Hürde aus dem Weg geräumt, die den Bau des an dieser noch vergleichsweise guterhaltenen Küste geplanten Industrie- und Handelshafens noch hätte verhindern können.

Wie Berriel nach der Unterzeichnung der Anordnung versicherte, beziehe sich diese „nur“ auf die Population der Spezie (mit dem wissenschaftlichen Namen Cymodocea no­dosa), die sich genau zwischen Punta del Tanque de Vidrio und Punta de los Tarajales befinde, also der Abschnitt, an dem der Mammut-Hafen entstehen soll. Diese Population stelle nach jüngs­ten Untersuchungen „nur“ 1,26% sämtlicher um die Kanaren existenter Seegraswiesen dar, weswegen die Spezies  an sich „nicht bedroht“ sei. Insgesamt wird die mit Seegras bevölkerte Fläche um die Kanaren auf 307 Quadratkilometer beziffert.

Da die Cymodocea no­dosa eine der Pflanzenarten ist, die unter anderem unter den Schutz der „Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung“, auch „FFH-Gebiete“ genannt, gestellt ist, hofften die Hafengegner bis zum Schluss, die Regionalregierung würde sich nicht über europaweit geltende Richtlinien hinwegsetzen. Diese Gebiete richten sich nämlich nach der sogenannten Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Das ist eine Naturschutz-Richtlinie der Europäischen Union, die 1992 beschlossen wurde und gemeinsam mit der Vogelschutzrichtlinie im Wesentlichen der Umsetzung der Berner Konvention dient. Eines ihrer wichtigsten Instrumente ist ein zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten, das Natura 2000 genannt wird.

Die kanarische Regierung und Teneriffas Inselverwaltung konnten diese Richtlinien allem Anschein nach im Hinblick auf die Verwirklichung ihrer Pläne jedoch nicht weiter aus der Ruhe bringen. Als man gewahr wurde, dass diese Seegraswiese nicht zuletzt ob der europäischen Naturschutz-Richtlinie den Bau doch noch verhindern könnte, da die Gefahr bestand, dass sich die europäischen Behörden allzu sehr für das umstrittene Projekt interessieren könnten, wurde sie kurzerhand aus dem „Schutzkatalog“ entfernt.

Im Vergleich zu dem Nutzen, den die Allgemeinheit aus dem zukünftigen Hafen ziehen werde, sei der Verlust der Seegraswiesen-Population durchaus zu verschmerzen, argumentierte Berriel.

Etwas über eine Woche später (und nach vorheriger Veröffentlichung der Anordnung im staatlichen Amtsblatt der Kanaren) begannen in Granadilla tatsächlich die Vorbereitungen für den eigentlichen Baubeginn. Da konnten auch die Proteste der Umweltschutzorganisation Ben Magec-Ecologistas de Acción, einer der schärfsten Kritiker des Hafenprojektes, nichts mehr ausrichten. Dennoch wollen sie sich nicht geschlagen geben, und versichern, sie werden weiterhin alles, was in ihrer Macht steht unternehmen, um gegen den Bau vorzugehen. Das beinhaltet auch gerichtliche Schritte.

Während man auf dem zukünftigen Hafengebiet am 13. Februar also mehrere Biologen dabei beobachten konnte, wie sie Stück für Stück Exemplare einheimischer und geschützter Flora ausgruben, um sie an einem „sicheren Ort“ wieder einzupflanzen, findet in den regionalen Medien eine hitzige Debatte um die Für und Wider des zukünftigen Hafens statt.

Von offizieller Seite will man die Öffentlichkeit dabei allem Anschein nach durch ein ganz neues Druckmittel ins eigene Lager ziehen. Die Rede ist von der Wirtschaftskrise und ihren Folgen. So wird der Hafenbau beispielsweise als wichtiges Mittel für die Schaffung neuer Arbeitsplätze sowie als Garant für die Wahrung des Wohlstands der Insel beworben. Die Werbung hatte nicht zuletzt zur Folge, dass bereits am nächsten Tag mehrere Arbeitslose sich persönlich auf dem zukünftigen Hafengebiet einfanden, um einen dieser 660 angekündigten Jobs für sich zu ergattern.

Auf politischer Ebene geht es derweil hoch her, allerdings auf völlig ziellose Art und Weise. Die Sozialisten tun sich ganz offensichtlich schwer, einheitlich Stellung zu beziehen. So hat Teneriffas PSC-Parteivorstand sich zwar noch kurz vor Schluss überraschend gegen das Projekt ausgesprochen, auf lokaler oder inselweiter Ebene sieht es jedoch anders aus. Erklärte Gegnerin ist allerdings Granadillas Bürgermeisterin Carmen Nieves Gaspar (PSC), die nach eigenen Aussagen immer noch nicht die Hoffnung verloren hat, dass letztendlich Brüssel doch noch ein Machtwort sprechen wird.

Als einzige Partei hat sich bislang die Vereinte Linke (IU) einheitlich und klar gegen das Bauprojekt ausgesprochen und von ihrem parlamentarischen Initiativrecht Gebrauch gemacht, um gegen den Hafenbau vorzugehen. Dem gegen-über steht allerdings die konservative Volkspartei (PP), die ihrerseits eine parlamentarische Initiative ankündigt, mit der das Bauprojekt als „eilig und vordringlich“ vorangetrieben werden soll.

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