Hunderttausende machten auf der Straße ihrer Empörung Luft


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Der zweite Generalstreik im Laufe eines Jahres

Das enorme soziale Unbehagen über die zunehmende Verschlechterung der Lebensqualität veranlasste Hunderttausende, auf Spaniens Straßen ihrer Empörung über die Regierung von Mariano Rajoy Luft zu machen.

Madrid – Die Wirtschaftspolitik der Regierung wurde durch lautstarke Proteste im ganzen Land kritisiert, wo am 14. November der achte Generalstreik in den 36 Jahren der Demokratie stattfand und der zweite in den letzten acht Monaten. Ein einsamer schwarzer Rekord, den die Partido Popular sozusagen ohne mit der Wimper zu zucken über sich ergehen ließ.

Erschüttert von den enormen Bürgerprotesten in einem knappen Jahr seiner Regierungszeit, hat Mariano Rajoy sich dennoch entschieden, fest zu bleiben in seiner Entscheidung, die öffentlichen Ausgaben drastisch zu beschneiden. Für ihn ist das einzig wirksame Mittel zur Bekämpfung der Krise die Senkung des Staatsdefizits.

„Der Sparplan der Regierung ist die einzige mögliche Alternative“, erklärte dann auch Wirtschaftsminister Luis de Guindos, um jegliche Möglichkeit eines Nachgebens aufgrund der Forderungen der Streikenden im Keim zu ersticken. Die Gewerkschaften hatten ihrerseits darauf hingewiesen, dass diese „einzige Alternative“ weitere Proteste auf der Straße nach sich ziehen werde. Dieser enorme Bruch zwischen der Regierung und den Arbeitervertretern erlebte am 14. November ein ganz spezielles Kapitel:

Während Tausende von Streikposten, erheblich mehr als beim letzten Streik am 29. Mai, mit ihren Megafonen und Sprechchören in den Industriezonen und Geschäftszentren agierten, segneten im Abgeordnetenkongress die Parlamentarier der Partido Popular dank ihrer absoluten Mehrheit den härtesten Spar-Etat der Geschichte ab, ohne auch nur einen der insgesamt 3.600 Einsprüche oder Änderungsanträge der Oppositionsparteien zu berücksichtigen.

Der Generalstreik, zu dem 17,3 Millionen Arbeitnehmer in Spanien aufgerufen waren, wurde „nennenswert“, jedoch nicht massiv befolgt. Die wichtigsten öffentlichen Dienste wie Schulen, Krankenhäuser, Personentransport funktionierten mit den zu erwartenden Problemen gemäß dem von den Gewerkschaften akzeptierten Mindest-Dienst. Bei den Industrieunternehmen, streng von den „Piquetes“, den Streikposten bewacht, wurde kaum gearbeitet. Einige Geschäfte öffneten, teilweise geschützt durch ein Polizeiaufgebot, doch besonders in den großen Städten war Einkaufen am Streiktag nicht ganz problemlos.

Schmerzhafte Bilanz

Bei den Zusammenstößen zwischen Demonstranten und den Sicherheitskräften, die sich im Rahmen der Protestmärsche am Nachmittag und Abend des 14. November ereigneten, wurden 74 Personen verletzt, 43 davon waren Polizisten. 118 Personen wurden während der Aktionen in verschiedenen Städten festgenommen.

Die Empörung der verschiedensten Gruppierungen und Verbände über die Politik der Regierung fand am 14. November ein perfektes Echo. Eine Gruppe von Schauspielern besetzte das Spanische Theater in Madrid, um gegen die Kulturpolitik der Regierung zu protestieren und den Rücktritt von Kultusminister Wert zu fordern. Schüler, Eltern und Lehrer in grüner Bekleidung protestieren gegen die enormen Kürzungen im Erziehungswesen. Die Eingangshallen der wichtigsten Hospitäler füllten sich mit weißgekleideten Menschen, die ihre Forderungen nach Verbesserungen im Gesundheitswesen unterstrichen, und mehr als achtzig Richter teilten dem Obersten Rat der Richterlichen Gewalt mit, dass sie das Gesetz übertreten werden, um sich an dem Streik zu beteiligen.

Meinungen für jeden Geschmack

Die Regierung klammerte sich an den nur geringfügig zurückgegangenen Stromverbrauch am Streiktag, um den Erfolg des Protestes herunterzuspielen. Der Konsum fiel um etwa 12,7% gegenüber einem normalen Arbeitstag. Beim Generalstreik vom 29. Mai war er immerhin um 16% zurückgegangen.

Die Gewerkschaften dagegen prahlten mit einem vollen Erfolg des Streiks und präsentierten ihre eigenen Daten. Danach waren in den Produktionssektoren des Landes 66% der Arbeitnehmer dem Streikaufruf gefolgt. Cándido Méndez, Chef des Sozialistischen Gewerkschaftsbundes UGT, bezeichnete den Streik als „legitime Selbstverteidigung der Würde des Volkes“. Juan Rosell, Präsident des Spanischen Unternehmerverbandes CEOE dagegen nannte den Generalstreik einen „Torpedo gegen die Erholung der Wirtschaft“.

Ein Sprecher der Partido Popular heizte die Polemik weiter an mit einem Vergleich, der allgemeine Empörung auslöste. „Der Streiktag“, so argumentierte er, „hat vier Milliarden Euro gekostet. Mit dieser Summe hätte man rund 80% der Zwangsräumungen im Land vermeiden können!“

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