Kein einfacher Sohn


Gedanken für mich ­– Augenblicke für Gott

Also ich kann mir vorstellen, dass Jesus bestimmt kein einfacher Sohn war. Erst neulich ging mir so durch den Kopf, wie das wohl für seine Mutter gewesen sein muss, mit diesem ungewöhnlichen Sohn zurechtzukommen. Schließlich kann man ja nun nicht sagen, dass er nicht gut geraten war. Aber dass er anders war, als es sich eine Mutter so vorgestellt hatte, das glaube ich schon.

Ich möchte Sie heute daran erinnern, denn ich weiß, wenn ein Marienfeiertag ansteht, dann macht man sich da so seine besonderen Gedanken über Maria – vielleicht gerade die Mütter unter uns. Und vielleicht auch im Besonderen wenn der Abstand gewachsen ist zwischen Eltern und ihren Kindern und wenn Mütter und Väter ein bisschen ratlos vor dem stehen, was die Kinder tun oder auch nicht tun. Dann hilft es vielleicht, sich daran zu erinnern: Nicht einmal mit Jesus war es einfach für seine Eltern. Und für seine Mutter Maria schon gar nicht.

Das fängt an mit der unerwarteten Schwangerschaft. Zwar kann Maria relativ schnell Ja dazu sagen: ja, so soll es sein. Dieses Kind ist ein Geschenk Gottes, nicht nur für mich, sondern für die ganze Welt. Aber es braucht dann doch viel Unterstützung – die Bibel erzählt von einer älteren Verwandten, die da ganz wichtig ist – damit Maria ihr Ja auch durchhalten kann. Wie viele Frauen haben Angst vor dem, und können sich deshalb nicht für ein Kind entscheiden. Maria findet eine Frau, die sie unterstützt. Das macht es leichter für sie. Und vielleicht war das ja die Unterstützung, die Gott ihr versprochen hatte. Die Bibel erzählt: Ein Engel hat ihr geholfen, ihre Schwangerschaft zu verstehen. Und der hatte gesagt: „Gott ist mit dir!“

Und dann kommt der Sohn auf die Welt. Sie kennen die Geschichte von der Geburt im Stall in Bethlehem. So hatte sich die junge Mutter das bestimmt nicht vorgestellt. Was war jetzt mit den Hoffnungen, die sie gehabt und die man ihr gemacht hatte? Maria versteht das nicht. Aber sie resigniert nicht: Ich wusste es doch – ich hätte mich nie darauf einlassen sollen. Maria wartet ab. Sie behielt alles, was man ihr an Hoffnungen gemacht hatte und bewegte das in ihrem Herzen, erzählt die Bibel. Sie wirft ihr Vertrauen nicht weg. Das Vertrauen auf Gott wird ihr helfen, zu diesem Sohn zu halten, auch wenn immer wieder etwas dagegen spricht.

Zum Beispiel, als sie kurz nach seiner Geburt flüchten müssen, weil man Jesus nach dem Leben trachtet. Dieser Sohn ist gefährdet und ist zugleich ein Risiko, auch für seine Eltern. Kinder sind ein Risiko, sagen manche auch heute. Ein Armutsrisiko. Finanziell stellt man sich besser ohne Kinder, das ist wohl wahr. Aber wiegt das schwerer als der Gewinn an Leben und Glück, den Kinder einem bringen? Ist es nicht auch ein Glück, wenn man gemeinsam Schwierigkeiten bewältigt und hinterher stärker und klüger und erfahrener ist als vorher? Maria, glaube ich, hätte das so gesagt. 

Und dann als Jesus erwachsen wurde – heute würde man wohl sagen: als er in die Pubertät kam – wurde es noch schwieriger. Er ging seine eigenen Wege. Einmal, auf einer Reise war er plötzlich verschwunden. Als sie ihn nach langem Suchen wieder fanden, saß er bei den erwachsenen Gelehrten im Tempel und diskutierte mit ihnen über religiöse Fragen. Offensichtlich hatte er andere Interessen und Fähigkeiten als die Gleichaltrigen. Offensichtlich konnte und wollte er mehr, als man von einem Zimmermannssohn erwartet hatte. Das war fremd für seine Eltern. Und dass er seine eigenen Wege ging, Wege, die sie nicht verstehen konnten, das machte ihnen Sorgen. Sie fragen ihn, was er sich dabei gedacht hat. Sie reden mit ihm. Reden auch von ihren Sorgen und Befürchtungen: wo soll das enden, wenn einer sich so weit herauswagt aus dem, was alle machen? Sie lassen ihn nicht einfach seiner Wege gehen ohne sich darum zu kümmern. Aber sie begreifen dann doch – das ist sein Weg. Anders, als wir es uns gedacht haben. Aber vielleicht eben doch Gottes Weg für ihn. Wieder hält Maria am Vertrauen auf Gott fest. „Sie bewahrte alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen“, heißt es in der Bibel auch diesmal.

Übrigens war das nicht das letzte Mal, dass sie in Konflikt geriet mit ihrem so eigenartigen Sohn. Sie war auch nicht immer so einsichtig und geduldig mit ihm. Einmal will sie ihn sogar zurückholen, weil sie befürchtet, er sei nun endgültig verrückt geworden. Sie sagt ihm deutlich, dass sie sich Sorgen macht. Aber auch da: sie lässt nicht los. Sie sagt nicht: er ist nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe, also ist er nichts für mich. Sie wendet sich nicht ab. Obwohl Jesus sie wieder abweist. Seine Mutter geht nach Hause. Sie lässt ihn in Ruhe. Aber sie hofft weiter. Und glaubt an ihn.

Am Ende, als er für seinen besonderen Weg sterben muss, ist Maria bei den letzten, die bei ihm sind. Noch immer und jetzt erst recht hält sie zu ihrem Sohn und lässt ihn nicht allein. Mehr kann sie nicht für ihn tun. Aber ist das nicht unglaublich viel: wenn Eltern ihr Kind nicht allein lassen, auch dann nicht, wenn es weh tut und schwer wird?

Maria ist dann auch die erste, die erfährt: Sein Weg war Gottes Weg. Er hat gezeigt, wie die Welt sein könnte. Und deshalb war sie eine der ersten, die seinen Weg fortgesetzt haben. Sie haben versucht, so zu leben, wie er es gezeigt hat.

Maria hat ihren Sohn begleitet. Nicht unkritisch – aber beharrlich und geduldig und treu. Sie konnte das, meine ich, weil sie auf Gott vertraut hat. Das hat ihr Geduld gegeben und Kraft. Das hat ihr das Leben leichter gemacht – für sich und für ihren Sohn. Ich finde, das können nicht nur Mütter von ihr lernen.

Herzlichst, Ihr

Bertram Bolz, Diakon

Kath. Touristen- und Residentenseelsorger

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