Die spanische Cannabisproduktion verlagert sich in die private Sphäre
Madrid – Den offiziellen polizeilichen Statistiken zufolge sind in den vergangenen vier Jahren zunehmend Privatpersonen in den Anbau von Marihuana in ihren eigenen Wohnungen eingestiegen. Es handelt sich bei dieser Gruppe u.a. um Geschäftsleute, deren Firma pleite gegangen ist, Arbeiter, deren Einkommen nicht mehr ausreicht, um die Familie über die Runden zu bringen, und junge Leute, die arbeitslos geworden sind. In den letzten Jahren sind die Beschlagnahmungen von Marihuana sprunghaft angestiegen, Razzien der Sicherheitskräfte in diesem Zusammenhang sind an der Tagesordnung.
Bei den rund 20.000 Festnahmen jährlich wegen Drogendelikten geht es in über der Hälfte der Fälle um Cannabis. Fast 70% der Verhafteten sind Spanier.
Anfang Februar führten fünfhundert Polizisten der Guardia Civil die „Operation Mocy“ mit 69 Durchsuchungen in Granada, Málaga, Cádiz und Valencia durch. 76 Personen wurden festgenommen. Die Mehrzahl der Hausdurchsuchungen betraf bescheidene Wohnungen sowie Sozialwohnungen in dem 10.114 Einwohner zählenden Ort Pinos Puente nahe Granada. Die „Operation Mocy“ ist nur eine von mehreren Dutzend Razzien, die in diesem Jahr schon stattgefunden haben. Seit 2013, seitdem diesbezüglich eine Statistik geführt wird, hat sich die Zahl der beschlagnahmten Pflanzen nach Angaben des Innenministeriums von 175.000 auf fast eine Million im Jahr 2018 stetig erhöht.
Nach Gewicht gerechnet, hat sich die beschlagnahmte Marihuanamenge von 15.174 Kilo im Jahr 2014 auf 37.220 in 2018 um das Zweieinhalbfache gesteigert.
Das illegale Marihuanageschäft begann sich mit der Wirtschaftskrise auszubreiten. Kriminelle Organisationen sehen darin ein leichtes Geschäft, bei dem man mit geringen Investitionen (zwischen 10.000 und 30.000 Euro für eine Indoor-Anpflanzung) hohe Gewinne einfahren kann – in den nordeuropäischen Ländern wird das Kilo für ca. 4.000 Euro verkauft. Das Risiko ist gering, denn das Strafmaß liegt zwischen einem und drei Jahren Haft. Wer keine Vorstrafen hat, kommt normalerweise um eine Gefängnisstrafe herum.
Genutzt werden Zimmer, Abstellräume, Garagen, Dachböden, kleine Gewerbehallen, Wohn- und Lastwagen und Ähnliches. In solchen Verstecken werden die kleinen Anpflanzungen angelegt, die mit Wachstumslampen beleuchtet werden.
Kriminelle Banden haben mit den Wohnungen der einfachen Leute eine Nische entdeckt, die ihnen größtmögliche „Unsichtbarkeit“ bei der Produktion ermöglicht. Sie liefern alles komplett: Pflanzen, elektrische Ausstattung, Lampen und eine leichtverständliche Gebrauchsanweisung, die genauestens Schritt für Schritt darlegt, wie die Pflanzen zu pflegen sind. Sie kommen erst zur Ernte wieder, die meist zwischen fünf und zwanzig Kilo bei drei bis vier Ernten pro Jahr beträgt, und bezahlen den vereinbarten Preis: rund 5.000 Euro pro Ernte. Es funktioniert fast wie eine landwirtschaftliche Kooperative von Kleinbauern. Die Erträge werden eingesammelt und in andere europäische Länder wie Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Polen, Estland oder Lettland gebracht. Ein Millionengeschäft.