Politischer Wirbel

Pedro Sánchez am 17. März im Abgeordnetenkongress, wo er sich einen harten Schlagabtausch mit Oppositionsführer Pablo Casado (PP) lieferte. Neben ihm sitzen Vizepräsidentin Carmen Calvo und Pablo Iglesias. Foto: efe

Pedro Sánchez am 17. März im Abgeordnetenkongress, wo er sich einen harten Schlagabtausch mit Oppositionsführer Pablo Casado (PP) lieferte. Neben ihm sitzen Vizepräsidentin Carmen Calvo und Pablo Iglesias. Foto: efe

In Madrid wird im Mai erneut gewählt

Madrid – Während des zweiten Märzwochenendes ereigneten sich in der politischen Landschaft Spaniens diverse Skandale, sodass selbst Corona
vorübergehend aus den Schlagzeilen der Medien verschwand. Es begann mit der Ankündigung eines Misstrauensantrags gegen die Regionalregierung von Murcia durch die Sozialisten, mit Unterstützung der dort mitregierenden liberalen Ciudadanos, die bisher gemeinsam mit der Partido Popular die Regierung stellten.
Diese Nachricht löste sozusagen eine Kettenreaktion aus, denn verschiedene autonome Regionen werden von Regierungen mit dieser Konstellation regiert. Dazu gehört auch die Regionalregierung von Madrid unter der Führung von Isabel Díaz Ayuso, Schützling von PP-Chef Pablo Casado und schärfste Kritikerin von Pedro Sánchez. Sie wollte einem möglichen Misstrauensantrag zuvorkommen, löste das Regionalparlament auf und rief Neuwahlen für den 4. Mai aus. Ein Antrag auf eine einstweilige Verfügung der Opposition, diese Wahl für gesetzeswidrig zu erklären, wurde vom Regionalgericht abgelehnt. Die Opposition hatte vor dem Schritt von Ayuso zwei Misstrauensanträge gegen sie eingereicht, die angeblich vor der Parlamentsauflösung erfolgt waren, während dessen Auflösung noch nicht im Offiziellen Staatsanzeiger veröffentlicht worden war. Das Gericht hat der Opposition mit seiner Entscheidung jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht.
So muss Madrid im Mai nun erneut an die Urnen. Für politische Kreise und auch für die Bürger der Region kam diese Entscheidung völlig überraschend. Es gab zuvor keinerlei Anzeichen für eine Krise in der Koalitionsregierung aus Ayusos konservativer Partido Popular (PP) und den rechtsliberalen Ciudadanos (Cs). Sie war seinerzeit dank der Unterstützung durch die Abgeordneten der ultrarechten Vox gewählt worden. Es handelte sich ganz eindeutig um eine Art Panikreaktion von Isabel Ayuso, die sich im Nachherein jedoch als unbegründet erwiesen hat. Das Misstrauensvotum in Murcia verlief sprichwörtlich im Sande, denn drei der sechs Parlamentarier von Cs hatten sich die Sache überlegt und sich an die Seite der PP gestellt. Die soll, so wollen eingeweihte Kreise wissen, mit Versprechungen für interessante Regierungsposten nachgeholfen haben. Auch drei Abgeordnete von Vox, die vor Kurzem aus ihrer Partei ausgeschlossen worden waren, hatten gegen den Misstrauensantrag gestimmt.
Nach neuesten Umfragen hat Isabel Díaz Ayuso beste Chancen, gestärkt aus den Wahlen vom 4. Mai hervorzugehen, denn die Region Madrid war schon immer eine Hochburg der Konservativen. Dagegen hat die Fahnenflucht der drei Abgeordneten die bereits schwelende Krise bei Cs noch weiter verschärft. Immer mehr führende Mitglieder verlassen die relativ junge Partei oder treten zur PP über, weil sie keine Zukunft sehen. Nach einem beachtlichen Aufstieg verloren sie bei den Parlamentswahlen En­de 2019 fast 70% der Sitze, und bei den kürzlichen Wahlen in Katalonien stürzten sie von 36 auf nur noch sechs Parlamentarier ab.
Die jüngsten Ereignisse werden den Abwärtstrend weiter verstärken. Bei den kommenden Wahlen in Madrid werden alle Parteien versuchen, die Wähler der bislang drittstärksten Partei in der Region für sich zu gewinnen. Möglicherweise kann Cs die Fünfprozenthürde nicht mehr schaffen.

Podemos-Chef Iglesias trat zurück

Der Koalitionspartner von Präsident Pedro Sánchez, Chef der linkspopulistischen Podemos und Vizeregierungspräsident, hat überraschend sein Amt
niedergelegt und will in die Regionalpolitik gehen. Bei den vorgezogenen Neuwahlen in Madrid will er für seine Partei als Spitzenkandidat antreten. Ein Parteimitglied müsse dort sein, wo es am dringendsten gebraucht wird, hatte er erklärt. Für ihn sei Priorität, die konservative Regierungschefin der Region Madrid aus dem Amt zu befördern, lautet seine Begründung. Er wolle mithelfen, eine erneute Rechtsregierung zu verhindern. Eingeweihte wissen jedoch, dass es ihm einzig und allein darum geht, den endgültigen Untergang seiner Partei in der Region Madrid zu verhindern. Umfragen hatten zuvor aufgezeigt, dass ohne die Kandidatur von Iglesias die Fünfprozenthürde wahrscheinlich nicht zu schaffen sei. Bereits vor zwei Jahren hatte die Partei knappe 5,6% erreicht, nachdem die ehemalige Nummer zwei und Gründungsmitglied Íñigo Errejon zu „Más Madrid“ abgewandert war.
Führende Regierungsmitglieder konnten ihre Erleichterung über das Ausscheiden von Iglesias, der in letzter Zeit immer häufiger für Querelen in der Regierungsarbeit gesorgt hatte, nicht verheimlichen.
Seine Nachfolgerin in der Vizepräsidentschaft ist seine Parteifreundin, die Arbeitsministerin Yolanda Díaz, der er auch den Parteivorsitz übertragen möchte. Diese Ankündigung war das Ende zahlreicher Ereignisse, welche die spanische Politik zu einer sprichwörtlichen Achterbahnfahrt hatte werden lassen.
Inzwischen zeigt der bevorstehende Wahlkampf in Madrid seine ersten Auswirkungen in Form einer Schlammschlacht zwischen den Sozialisten und der Partido Popular. Sánchez und Casado beschuldigen sich gegenseitig der Korruption und drängen die Probleme der Corona-Krise förmlich an den Rand. Im Abgeordnetenkongress leisteten sich die beiden Parteiführer ein Rededuell mit gegenseitigen Diskreditierungen.

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