Rajoy strebt eine Minderheitsregierung an


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Der Abgeordnetenkongress trat zur 12. Legislaturperiode zusammen

Madrid – Die zwölfte Legislaturperiode begann mit der Konstitution des Abgeordnetenkongresses und mit dem ersten Pakt nach den Neuwahlen vom 26. Juni, der kurz zuvor zwischen Mariano Rajoy und dem Chef der liberalen Ciudadanos, Albert Rivera, zustande gekommen war. Es ging dabei um den Präsidenten des Kongresses und seine Stellvertreter. Rajoy konnte eine Person seines absoluten Vertrauens durchsetzen, Ana Pastor, derzeitige Ministerin für Inlandsentwick- lung. Ciudadanos erhalten zwei Vertreterposten, obwohl ihnen aufgrund der Zahl ihrer Sitze diese nicht zustehen würden. Diese Regelung hängt jetzt noch davon ab, dass keine weiteren Pakte der anderen Parteien zustande kommen.

Der Zusammentritt des Parlaments erfolgt nach wie vor ohne klare Perspektive, wer das Land zukünftig regieren wird und mit der eingangs erwähnten Absprache in letzter Minute zwischen Mariano Rajoy und Albert Rivera. Die hat den Präsidenten offenbar ermutigt, die Investitur mit lediglich den 137 Stimmen seiner eigenen Partei anzugehen. Zuvor hatten immer wieder Telefonate zwischen Rajoy und Rivera stattgefunden, bei denen es um den Posten des Parlamentspräsidenten und die beiden Vertreter von Ciudadanos am Präsidentialtisch ging. Mit dieser Verteilung hat das rechte Zentrum ihre absolute Mehrheit in diesem Organ des Kongresses zurückgewonnen. Dort sitzen jetzt drei Vertreter der PP einschließlich der Präsidentin, zwei von Ciudadanos, zwei von der PSOE und einer von Podemos.

Der Name von Ana Pastor als Kandidatin für den Posten der Parlamentspräsidentin wurde erst von der Direktion der PP bekanntgegeben, nachdem Rivera mehrere andere Kandidaten für diesen Posten ausgeschlagen hatte, wie den derzeitigen Innenminister Jorge Fernández Díaz oder die Generalsekretärin der Partei, María Dolores de Cospedal. Ihr Ton und ihre Arbeitsweise gilt allgemein als sehr parteiisch. Sie scheint also ungeeignet, im Abgeordnetenhaus die Rolle der Schiedsrichterin zu übernehmen. Auch der derzeitige Außenminister José Manuel García Margallo soll im Gespräch gewesen sein. Doch er hatte bereits abgewinkt.

Der PP-Chef hat bislang keinerlei Andeutungen über den Stand der Dinge bei den geheimen Verhandlungen gemacht, die er mit Vertretern verschiedener Parteien geführt haben soll. Doch hat es den Anschein, dass die Gespräche mit Rivera auch über die Präsidentschaftsfrage hinaus auf gutem Wege sein sollen. Parteifreunde, die bei den geheimen Besprechungen anwesend waren, ließen durchsickern, dass ihr Kandidat zwar nach wie vor lediglich auf die 137 Stimmen seiner Fraktion zählen kann, doch entschlossen scheint, eine Minderheitsregierung zu bilden. Sein Plan sei es, bei der Bildung seines nächsten Kabinetts einen Generationswechsel zu vollziehen.

Die absolute Verschwiegenheit ist eine Charakteristik, die sowohl den Chef der PP als auch Pedro Sánchez, den Kandidaten der Sozialisten, auszeichnet. Beide diskutieren zwar mit ihren engsten Mitarbeitern und hören sich auch deren Meinung an, aber es sickert absolut nicht durch, was sie denken und welche Schritte sie in den nächsten Tagen tun werden.

Zwischen dem 3. und 5. August – ein Termin, den Rajoy sich selbst gesetzt hat – muss er sich der Debatte stellen, auch wenn er nicht über die notwendige Unterstützung verfügt.

Sollte er bei der Abstimmung scheitern, wird die „gefürchtete“ Konsequenz folgen und die Zeit beginnt erneut zu laufen. Wiederum haben die Kandidaten zwei Monate Zeit, sich zu einigen, um eine dritte Wahl in diesem Jahr zu vermeiden.

Rajoy hat die Wahlen vom 26. Juni zwar mit einem Vorsprung von 52 Sitzen vor der zweitplatzierten Partei gewonnen. Doch nach dem politischen System Spaniens zählen bei der Investitur des Präsidenten nicht die erzielten Stimmen in den Urnen sondern die Unterstützung der Abgeordneten im Kongress. Augenblicklich kann er sich auf 137 Stimmen stützen – 217 sind gegen ihn. Auch um die einfache Mehrheit in einem zweiten Durchgang zu erreichen, benötigt er mehr Ja- als Neinstimmen. Wie es heißt, herrscht die Meinung vor, dass Rajoy es nicht schaffen wird. Doch die Sorge, dass es wieder Neuwahlen gibt, könnte PSOE und Ciudadanos veranlassen, die Wahl Rajoys zu ermöglichen. Das will die Zeitung El País aus Gesprächen mit mehreren führenden Politikern der wichtigsten Parteien herausgehört haben.

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