Ruhestand in Spanien … und wenn ich krank werde?


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Auszug aus der Broschüre des Europäischen Verbraucherzentrums

Berufsleben ade und ab in den sonnigen Süden Spaniens – für viele Rentner ein Traum, der in Erfüllung gehen kann. Die Rente kommt weiterhin aus Deutschland, die Sonne scheint fast immer.

Was soll da noch schiefgehen? Damit das so bleibt und der Traum nicht zum Alptraum wird, ist es sinnvoll, sich im Vorwege ein paar Gedanken zur Kranken- und Pflegeversicherung zu machen.

Recht auf Freizügigkeit

Im Ruhestand haben Sie das Recht, sich in jedem anderen europäischen Land niederzulassen. Voraussetzung dafür ist, dass Sie genügend Einkommen oder Rente zur Existenzsicherung und eine ausreichende Krankenversicherung haben.

Europäisches Recht

Das Sozialversicherungsabkommen der Europäischen Union (Verordnung (EG) Nr. 883/2004) regelt die meisten grenzüberschreitenden Probleme, die entstehen können, wenn Sie sich als Versicherter in einem anderem als dem zuständigen Mitgliedsstaat aufhalten oder niederlassen. Dabei bleibt die soziale Absicherung seiner Bürger nach wie vor Aufgabe jedes einzelnen Mitgliedsstaates. Es gibt kein gemeinsames europäisches Sozialversicherungssystem, und es wird auch in nächster Zukunft keines geben. Die Unterschiede zwischen Spanien und Deutschland sind erheblich. Jeder, der dauerhaft oder nur auf Zeit nach Spanien als Resident zieht, sollte sie kennen.

Das spanische

Krankenversicherungssystem

Fast alle spanischen Bürger sind in dem staatlichen öffentlichen Gesundheitssystem Sistema Nacional de Salud (SNS) versichert. Dieses unterhält auch die örtlichen medizinischen Zentren und Krankenhäuser. Für die Umsetzung sind die autonomen Regionen verantwortlich, das erklärt die zum Teil erheblichen Unterschiede in den Leistungen und der Qualität des Gesundheitswesens. Daneben gibt es auch private Versicherungen und private Krankenhäuser. Viele Spanier schließen eine zusätzliche private Versicherung ab.

Gesetzlich Versicherte

Wenn Sie mehr als 183 Tage in Spanien leben möchten, müssen Sie sich um eine Anmeldung bei der Gemeinde in Spanien (certificado de residencia) bemühen. Damit können Sie sich in das Spanische Versicherungssystem bei dem für den Wohnort zuständigem Träger des Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS) eintragen. Sie bekommen dafür von Ihrer Krankenkasse entweder die Anspruchsbescheinigung (das Formular E 121) oder die Eintragung erfolgt bereits auf elektronischem Wege mit dem Vordruck S1. Mit der Eintragung sind Sie ein Mitglied der spanischen staatlichen Krankenversicherung und bekommen die spanische Krankenversicherungskarte tarjeta sanitaria individual (TSI). Damit haben Sie Anspruch auf die gleichen Leistungen wie ein gesetzlich versicherter spanischer Patient. Ohne Eintragung ins Versicherungssystem können Sie nur im Notfall Ihre Europäische Versicherungskarte einsetzen.

Versicherungsbeiträge

In Spanien bekommen Sie keine zusätzliche neue Versicherung. Sie zahlen weiterhin Ihre Beiträge in Deutschland, dafür aber keine in Spanien. Eine Befreiung von der Zahlungsverpflichtung in Deutschland ist nur kurze Zeit nach Rentenbeginn möglich. Damit verbunden ist aber ein endgültiger Schritt in die private Versicherung, ein Zurück gibt es dann nicht mehr. Können Sie jedoch Versicherungszeiten über ein Jahr in Spanien nachweisen, kehren Sie komplett in die spanische Versicherung zurück. In diesem Fall haben Sie aber keinen Anspruch mehr auf eine Versichertenkarte einer deutschen Versicherung.

Leistungsumfang

Auf Unverständnis stößt oft, wenn aus Deutschland gewohnte Leistungen in Spanien nicht möglich sind. Lange Wartezeiten für den Besuch eines Facharztes, kein Festkostenzuschuss für die Zahnbehandlung und keine gewohnten Vorsorgeuntersuchungen in Spanien sorgen immer wieder für Nachfragen oder auch Ärger bei deutschen Patienten. Der Ablauf der Behandlung ist bürokratisch und manchmal zeitaufwendig. Sie sollten bedenken: Art und Umfang der Leistungen richten sich in einem Fall von Krankheit oder Pflege immer nach den Vorschriften des spanischen Versicherungssystems.

Ärztliche Behandlung

Als erste Anlaufstelle wenden Sie sich in Ihrem Ort an den praktizierenden Arzt (consultorio médico) oder ein medizinisches Zentrum (ambulatorio oder centro de salud). Von jedem Ort Spaniens muss ein solches Zentrum innerhalb von 15 Minuten erreichbar sein. Wo sich Ihr nächstes Zentrum befindet, teilt Ihnen die Auskunft der Seguridad Social INSS (Centros de Atención e Información del INSS) mit. Kann der dortige Allgemeinmediziner Ihnen nicht weiterhelfen, oder hält er es für notwendig, bekommen Sie eine Überweisung (volante de asistencia médica) zum Facharzt.

Die Wartezeiten für Termine sind häufig lang. Deutsche Ärzte sind fast immer privatärztlich tätig und arbeiten nur extrem selten für die Seguridad Social. Leistungen für Psychotherapeuten werden fast nie erstattet. Und die Versorgung erfolgt überwiegend privatärztlich.

Medizinische Grundversorgung

Gesundheitszentren und kleine örtliche Kliniken:

• ohne oder mit kurzfristiger Anmeldung

• spontaner Besuch

• Hausbesuche

• Förderung der Gesundheit und Prävention

• Hilfe bei einfachen und häufigen gesundheitlichen Problemen

Versorgung durch Spezialisten

Facharztzentren und Krankenhäuser:

• nur mit Überweisung durch Personen der medizinischen Grundversorgung

• längere Wartezeiten

• ambulant und stationär

• kompliziertere sowie kostenintensive Untersuchungen und Behandlungen werden hier konzentriert angeboten

Krankenhaus

Manche Erkrankung macht einen Krankenhausaufenthalt (estancia hospitalaria) unumgänglich. Dafür benötigen Sie immer eine Überweisung. Nur im Notfall können Sie sich direkt an ein Krankenhaus wenden. Überwiesen werden Sie in die Krankenhäuser des nationalen Gesundheitssystems (Sistema Nacional de Salud). Es gibt aber auch private Krankenhäuser, die aufgrund von Verträgen mit den autonomen Regionen oder dem nationalen Institut für Gesundheitsmanagement Patienten der staatlichen Gesundheitsversorgung aufnehmen. Das Krankenhaus können Sie nicht frei wählen. Leider sind die Wartelisten für Operationen lang und die Krankenhäuser oft überbelegt. So versucht manch ein Patient über die Notaufnahme die Aufnahme ins Krankenhaus zu beschleunigen.

Für die Krankenbehandlung und auch den Transport im Notfall sind keine Zuzahlungen zu leisten.

Zahnbehandlung

Zahnärzte (médico dentista) sind fast immer privatärztlich tätig, da Spanier die Behandlung fast ausschließlich selbst zahlen müssen. Die spanische Versicherung sieht keine Zahnreparaturen vor, sodass oft nur die Zahnentfernung zur Wahl steht.

Den Zahnarzt suchen Sie daher direkt auf, auch wenn Sie pflichtversichert sind. Aber: Die Behandlung zahlen Sie entweder selbst oder Sie haben eine private Versicherung für die Zahnbehandlung in Spanien. Reisen Sie zur Behandlung nach Deutschland gelten die Bestimmungen der deutschen gesetzlichen Versicherung.

Medikamente

In spanischen Apotheken werden viele Medikamente ohne Rezept verkauft, die in Deutschland verschreibungspflichtig sind. So sind z.B. Antibiotika apothekenpflichtig. Außerdem ist es üblich, dass in der Apotheke wesentlich mehr Labortests durchgeführt werden als Sie es aus Deutschland kennen. Daher sparen sich viele Spanier lange Wartezeiten in den staatlichen Gesundheitszentren und gehen direkt zum Apotheker. Wenn es ganz dringend ist, führt der Weg zur Notapotheke. Viele Medikamente sind zudem preisgünstiger als in deutschen Apotheken.

Für gesetzlich versicherte Rentner sind Medikamente, wenn sie verschrieben werden, kostenlos.

Medikamente, die während eines Krankenhausaufenthaltes verabreicht werden, sind für den Patienten kostenlos.

Sind Sie auf Medikamente angewiesen, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, dann gilt: Grundsätzlich darf der Reisebedarf auch mit ins Ausland genommen werden. Dazu benötigen Sie eine entsprechende Bescheinigung, die vom Arzt ausgefüllt und von der zuständigen Landesgesundheitsbehörde beglaubigt wird. Auskunft erteilt die Bundesopiumstelle.

Privatversicherte

Wer in Deutschland privat versichert ist, bleibt auch in Spanien Privatpatient, daran ändert auch das staatlich finanzierte Gesundheitssystem nichts. Klären Sie im Vorwege, ob und in welcher Höhe Ihre deutsche private Versicherung (und bei Beamten zusätzlich die Beihilfe) die Kosten decken wird. Das ist wichtig, damit Sie keine bösen Überraschungen erleben und am Ende Ihre eigene Zuzahlung für die Rechnung höher ausfällt als vermutet. Vertragsärzte und Vertragseinrichtungen der spanischen gesetzlichen Krankenversicherung können Sie als Privatversicherter nicht nutzen.

Wenn Sie sich in Spanien zusätzlich zur gesetzlichen Versicherung privat versichern möchten, denken Sie daran, dass die Beiträge je nach Alter, Vorerkrankungen und Geschlecht unterschiedlich hoch sind. Die Versicherungen werden häufig als Zusatz zum gesetzlichen System abgeschlossen. Sie sind oft nicht so teuer wie eine vergleichbare private Vollversicherung in Deutschland. Privat Versicherte mit spanischen Verträgen werden oft nur von Ärzten behandelt, die zum Versicherungsnetz der jeweiligen Versicherung gehören. Also anders als in Deutschland bedeutet dies eine eingeschränkte freie Arzt- und Krankenhauswahl. Auf Nachfrage bei der Versicherung werden in vielen Fällen jedoch bis zu 80% der Behandlungskosten von Ärzten auch außerhalb des Netzes finanziert. Es gibt in Spanien keine Gebührenordnung (GOÄ) für privatärztliche Leistungen wie in Deutschland.

Nichtversicherte

Wenn Sie weder gesetzlich noch privat versichert sind, Ihren dauerhaften Wohnsitz in Spanien haben und Ihr Einkommen sehr niedrig ist, haben Sie Anspruch auf eine spanische Versichertenkarte und damit den Zugang zu allen Leistungen des gesetzlichen Versicherungssystems Spaniens.

Pflegeversicherung

Ähnlich wie in Deutschland wurde 2007 inzwischen auch in Spanien ein Pflegegesetz eingeführt. Aber erst langsam werden überhaupt ambulante und stationäre Pflegedienste aufgebaut. Soziale Betreuungsdienste wie in Deutschland gab es in Spanien bisher weniger, da die Familie traditionell ihre Verwandten versorgte. Sie bekommen im Pflegefall entweder Pflegegeld aus Deutschland oder werden wie ein Spanier behandelt und bekommen dann dieselben Sachleistungen wie ein Spanier.

Ob auch Rentner aus Deutschland zukünftig Pflegegeld aus Spanien erhalten können, ist bislang noch ungeklärt. In Spanien ist im Fall der Pflege ebenso eine Kostenbeteiligung der Betroffenen üblich. Probleme gibt es, wenn Senioren alleinstehend und ohne Familie auf Pflege angewiesen sind. Frauen werden dabei eher schwierige soziale Notfälle, da nach dem Tod des Partners häufig ein Teil der Rente wegfällt. Sind dann alle Brücken in die alte Heimat abgebrochen, kann aus Fernweh schnell Heimweh werden. Denken Sie auch daran, dass ein Transport im Fall der Pflegebedürftigkeit nach Deutschland sehr schwierig werden kann und oft sehr teuer ist.

Tod und Begräbnis

Man denkt nicht gerne daran: Was passiert, wenn jemand stirbt? Formalitäten, die es zu regeln gibt. Eventuell soll eine Überführung von Urne oder Leichnam ins Heimatland geschehen. Vielleicht kommt auch eine Bestattung in Spanien infrage. Geld gibt es von der Krankenversicherung nicht mehr, daher ist es gut, wenn man weiß, welche finanziellen Belastungen durch einen Todesfall entstehen. Viele sind dafür nicht ausreichend abgesichert. Schon im Vorwege ein Beerdigungsunternehmen auszusuchen, Ihre Vorstellungen zu besprechen und einen Kostenvoranschlag einzuholen, macht die ohnehin schwierige Situation für die Angehörigen etwas leichter und überschaubarer. Diese sollten sich im Todesfall auch gleich eine internationale Sterbeurkunde ausstellen lassen, das erleichtert die Formalitäten.

Organspende

In Spanien gilt die Widerspruchslösung, das heißt: grundsätzlich ist jeder Organspender, es sei denn, er widerspricht der Entnahme von Organen ausdrücklich schriftlich. Zuständig ist die Nationale Organisation für Transplantation (Organización Nacional de Trasplantes). In Spanien eine Organspende zu bekommen, geht schneller und leichter als in vielen anderen europäischen Ländern.

Patientenverfügung

Alle in Spanien registrierten Bürger können sich in ein Register eintragen lassen und dort Ihren Patientenwillen (manifestación anticipada de voluntad) bekunden. Für diese Verfügungen sollten Sie sich unbedingt Rat und Hilfe eines spanischen Notars oder eines Beamten des staatlichen Registers (registro nacional de instrucciones previas) holen, da es für die autonomen Regionen auch noch besondere Vorschriften gibt. Eine deutsche Patientenverfügung reicht in Spanien nicht aus.

In Deutschland zu Besuch

Für diese Zeit haben sie weiterhin die Versichertenkarte Ihrer Krankenversicherung und können damit genauso zum Arzt gehen wie jeder in Deutschland gesetzlich Versicherte.

Europäische Versichertenkarte

Im Urlaub in Europa, dafür gibt es die Europäische Versichertenkarte. Diese nutzen Sie auch in Spanien, wenn Sie sich nur vorübergehend in Spanien aufhalten. Sie werden dann im Notfall behandelt. Sonstige ambulante Behandlungen werden Ihnen bis zu der Höhe erstattet, wie eine gleichwertige Behandlung in Deutschland kosten würde. In diesem Fall ist es empfehlenswert, sich im Vorwege bei der deutschen Kasse zu erkundigen, bis zu welchen Betrag sie die entsprechende Behandlung übernehmen wird. Dies gilt auch für Rechnungen deutscher privater Ärzte, die in Spanien tätig sind. Eine zusätzliche Reiseversicherung, die im Zweifelsfall auch den Rücktransport übernimmt, ist immer sinnvoll.

Damit die Verständigung mit spanisch sprechenden Ärzten, Pflegepersonal und allen spanischen Mitbürgern besser klappt, lernen sie unbedingt Spanisch! Das hält das Hirn fit, macht Spaß und erleichtert die Integration im neuen Heimatland.

Weitere Infos unter www.evz.de

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