Spanien wegen Vorenthaltung eines Kindes verurteilt


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Die in der West-Sahara lebende Mutter klagte vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Am 24. Mai verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Spanien zu einer Geldstrafe, weil die spanischen Behörden sich nicht genügend darum gekümmert hätten, ein aus der West-Sahara stammendes Kind zurück zu seiner Mutter zu schicken.

Murcia – Die damals neunjährige Saltana el Bardi nahm 2002 an einem Ferienprogramm teil, das jedes Jahr zwischen 7.000 und 10.000 Kinder der West-Sahara im Sommer nach Spanien holt und bei einheimischen Familien unterbringt. Die von einem Flüchtlingslager in Tinduf kommende Saltana wurde von einer Familie in Cartagena (Murcia) aufgenommen. Da das Mädchen unter Hepatitis litt, erlaubte ihre Mutter, Knana Saleck Bardi, eine Verlängerung ihres Aufenthaltes in Spanien zur medizinischen Behandlung. Doch aus ein paar Wochen wurden zwei Jahre. Im Februar 2004 verlangte die Mutter offiziell die Herausgabe ihres Kindes und die Rückkehr ins Flüchtlingslager. Zwei Monate später erklärte das Jugendamt von Murcia Saltana in einem Eilverfahren als „aufgegeben“ und übernahm das Sorgerecht. Trotzdem blieb das Mädchen bei ihren Pflegeeltern, die in den folgenden Jahren um das Sorgerecht kämpften. Nachdem Saltana jahrelang an ihrem Wunsch festhielt, nicht nach Tinduf zurückkehren zu wollen, sprach 2007 ein Richter den Pflegeeltern das Sorgerecht zu, obwohl die Mutter weiterhin die Herausgabe ihres Kindes forderte. Schließlich zog Knana Saleck Bardi vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Das Straßburger Gericht verurteilte Spanien zu einem immateriellen Schadensersatz in Höhe von 30.000 Euro mit der Begründung, die spanischen Behörden hätten sich nicht angemessen und genügend dafür eingesetzt, den Anspruch der Klägerin auf Rückkehr ihrer Tochter zu erfüllen und ihr Recht auf Familienleben – geschützt in Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention – zu garantieren. Besonders hart kritisierte der Europäische Gerichtshof, dass zwischen 2002 und 2004 die Behörden vollkommen untätig gewesen seien. In seinem Urteil rügte das Gericht die exzessive Ausdehnung des 2002 aufgenommenen Rechtsverfahrens, aufgrund dessen die emotionale Verknüpfung zwischen dem Kind und seiner Familie in Tinduf gerissen sei.

Saltana ist mittlerweile volljährig und will nicht zu ihrer biologischen Familie in Tinduf zurückkehren. Während des langen Rechtsverfahrens hatte das Mädchen immer wieder versichert, es habe jahrelang gar nicht mit ihrer Mutter zusammengelebt, sei in dem Flüchtlingslager wie eine Sklavin behandelt worden und die Lebensbedingungen dort seien sehr hart gewesen.

Ihre Pflegeeltern versichern, sie hätten einer Rückkehr Saltanas zu ihrer biologischen Familie nicht im Weg gestanden. Aber im Interesse des Kindes und zu dessen Schutz hätten sie den gesetzlich vorgegebenen Rechtsweg beschritten.

Auch die Mutter bittet nicht mehr um eine Rückkehr, denn sie will ihrer Tochter die Zukunft nicht zerstören. Gegenüber der Zeitung El País sagte Knana Saleck Bardi, Saltana sei in Spanien integriert, spreche nicht mehr die Muttersprache und ihre Rückkehr und Wiedereingliederung würde sich kompliziert gestalten.

Ihr Anwalt versicherte, das Straßburger Urteil würde vielen Eltern der West-Sahara Sicherheit vermitteln, wenn sie ihre Kinder in die Ferien nach Spanien schicken.

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