Spaniens Richterverbände drohen mit Streik


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Obwohl die Rechtslage stark umstritten ist

Die seit Monaten gärenden Spannungen zwischen der spanischen Regierung und den wichtigsten Richtervereinigungen spitzen sich immer mehr zu. Inzwischen ist der Konflikt soweit fortgeschritten, dass die Richter mit Streik drohen.

Madrid – Sollten die von ihnen geforderten Verbesserungen ihrer Arbeitssituation und Einkommenslage nicht bewilligt werden, dann wird für den 26. Juni dieses Jahres ein Streik ausgerufen. Eine erste Protestveranstaltung, die als verdeckter Bummelstreik angesehen werden kann, soll bereits am 18. Februar stattfinden.

Streikende Richter hat es in der Geschichte der spanischen Demokratie noch nie gegeben. Entsprechend hoch schlagen die Wellen der Empörung, aber auch der Sorge. Parallel dazu findet eine breite Debatte darüber statt, inwieweit die Richter mit ihren Forderungen und Beanstandungen richtig liegen und ob sie überhaupt berechtigt sind, zu streiken.

Tatsache ist, dass Spaniens Gerichte hoffnungslos überlas­tet sind und es zu wenig Richter gibt. Auch gilt als erwiesen, dass das System, mit dem die Gerichte funktionieren, geradezu erschreckend veraltet ist. Ebenso steht fest, dass sämtliche Regierungen der letzten 15 Jahre – egal welcher politischer Gesinnung – die dringend notwendige Modernisierung im Rahmen einer umfassenden Reform der spanischen Justiz vor sich hergeschoben haben. Und dennoch wird die Berechtigung der Richter zum Streik von Experten angezweifelt. Kritiker befinden nämlich, die spanischen Gerichte seien „langsam, selbstgefällig und nicht zeitgemäß“. Nicht umsonst genießen sie in der Bevölkerung von allen staatlichen Organen das schlechteste Ansehen.

Der „Fall Mari Luz“ brachte das Fass zum Überlaufen

Als besonders „pikant“ wird in diesem Zusammenhang die Tatsache angesehen, dass der sogenannte Caso Mari Luz als letzter Auslöser für die Protes­te der Richter angesehen wird. Bei besagtem Fall geht es um ein fünfjähriges Mädchen, das vor etwas über einem Jahr in Huelva verschwand. Zwei Monate später wurde seine Leiche im Hafenbecken der südspanischen Stadt entdeckt und bereits kurz darauf sein mutmaßlicher Mörder, ein wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger mehrfach vorbestrafter und rechtskräftig verurteilter Nachbar der Familie der kleinen Mari Luz, verhaftet. Eigentlich hätte der 43-Jährige zum Zeitpunkt des Todes der Fünfjährigen im Gefängnis sitzen müssen, doch der zuständige Richter Rafael Tirado hatte es seit fast zwei Jahren versäumt, den Haftvollzug anzuordnen.

Das CPGJ, Spaniens höchs­tes Richtergremium, verurteilte den Richter in einem Berufungsverfahren schließlich zu einer Geldstrafe in Höhe von knapp 1.500 Euro. Daraufhin ging eine Welle der Empörung durch Spanien. Nicht nur die Angehörigen des ermordeten Mädchens waren ob dieser geringen „Ahndung seines schwer­wiegenden Fehlers“ entrüstet.

Auch die Politik stellte sich auf die Seite der Familie von Mari Luz. Sowohl die Regierung als auch die Opposition warfen dem CPGJ „Vetternwirtschaft“ vor und forderten eine mehrjährige Suspendierung des Richters.

Bislang blieb diese Forderung jedoch gänzlich ohne Erfolg. Im Gegenteil, „die Einmischung der Regierung“ in diese Angelegenheit brachte das Fass zum Überlaufen und die streikgewillten Richter endgültig in Rage.

Bereits im April letzten Jahres protestierten verschiedene Gerichte unter anderem wegen „Überlastung“ und „schlechter Arbeitsbedingungen“. So geschehen auch am Gericht von Valladolid, wo man sich „im Streik“ erklärte und die Bürger informierte, wenn man sich deswegen beeinträchtigt sehe, solle man sich doch direkt an das Justizministerium wenden.

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