Sterbehilfe-Gesetz verabschiedet

Im Juli 2019 wurden dem Parlament eine Million Unterschriften für eine Entkriminalisierung der Sterbehilfe übergeben, die über die Internetseite change.org gesammelt worden waren. Foto: EFE

Im Juli 2019 wurden dem Parlament eine Million Unterschriften für eine Entkriminalisierung der Sterbehilfe übergeben, die über die Internetseite change.org gesammelt worden waren. Foto: EFE

198 Abgeordnete stimmten für und 138 gegen das Gesetz, welches eine legale aktive Sterbehilfe und Beihilfe zum Suizid ermöglicht

Madrid – Das spanische Parlament hat ein Gesetz verabschiedet, das eine legale aktive Sterbehilfe und die Beihilfe zum Suizid regelt. Spanien ist damit eines von nur sechs Ländern weltweit, das ein Recht auf aktive Sterbehilfe anerkennt.
Der Gesetzentwurf wurde mit großer Mehrheit verabschiedet: 198 Abgeordnete stimmten dafür, 138 dagegen, und zwei enthielten sich der Stimme. Dem Gesetz stimmten alle linken Kräfte im Parlament sowie Ciudadanos, PDeCAT und PNV zu, während die konservative PP und die ultrarechte Vox dagegenhielten.
Laut verschiedenen Umfragen unterstützen über 80% der spanischen Bevölkerung eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe, beim medizinischen Personal sind es etwa 65%. Die Dachorganisation der Ärztekammern, die Katholische Kirche und die Spanische Bioethikkommission dagegen lehnen die aktive Sterbehilfe ab.
Nun muss noch der Senat zustimmen, was voraussichtlich in den ersten Wochen des Jahres 2021 geschehen wird. Ab diesem Zeitpunkt wird es legal möglich sein, dass ein unheilbar Kranker Hilfe beantragt, um seinem Leben ein Ende zu setzen.
Der Gesetzestext sieht dabei vor, dass der Patient viermal unter ärztlicher Aufsicht seinen Willen zum Sterben bekundet.
Die ehemalige Gesundheitsministerin María Luisa Carcedo, die den Gesetzentwurf in ihrer Amtszeit eingebracht hatte, äußerte sich in einem Interview wie folgt zu dem neuen Sterbehilfe-Gesetz: „Niemand kann andere Personen dazu verpflichten, ihr von Leiden geprägtes Leben zu verlängern. Es wurde ein Gesetz verabschiedet, das uns freier macht.“
Die Mitglieder der Verbände, die für ein würdevolles Sterben eintreten und mit Unterschriftensammlungen, Petitionen und Kundgebungen für das Recht auf ein selbstbestimmtes Lebensende gekämpft haben, konnten der Abstimmung wegen der Corona-Regeln nicht auf der Tribüne des Parlaments beiwohnen und mussten vor dem Kongressgebäude ausharren. Ebendort, wo noch am Morgen die Gegner des Gesetzes gegen die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe demonstriert hatten.

Mehrfache Prüfung des Willens

Konkret regelt das neue Gesetz Folgendes: Die aktive Sterbehilfe (Eutanasia activa) ist eine Handlung, bei der ein Angehöriger der Medizinberufe das Leben eines Patienten absichtlich und auf dessen Wunsch hin beendet, weil dieser eine schwere, unheilbare Erkrankung hat, die unerträgliches Leiden mit sich bringt. Im Fall der Beihilfe zum Suizid stellt er lediglich das Medikament zur Verfügung, das den Tod des Patienten herbeiführen soll, verabreicht es jedoch nicht. Beantragen kann die Sterbehilfe, wer Spanier ist, legal in Spanien lebt oder seit mindestens zwölf Monaten im Land gemeldet ist. Ist der Betroffene nicht bei Bewusstsein, so kann Sterbehilfe geleistet werden, sofern eine Patientenverfügung vorliegt.
Um den Willen des Patienten eindeutig festzustellen, ist vorgesehen, dass dieser zweimal innerhalb von 15 Tagen Sterbehilfe beantragt und dabei erklärt, dass sein Entschluss nicht aufgrund von äußeren Zwängen zustande gekommen ist. Nach dem ersten Antrag muss ein Arzt mit dem Patienten ein Beratungsgespräch über seine Diagnose, die Behandlungsmöglichkeiten und die zu erwartenden Resultate sowie über eine mögliche Palliativversorgung führen. In diesem Gespräch muss der Patient seinen Sterbewunsch erneut bekräftigen. Nach dem zweiten Antrag folgt ein weiteres Beratungsgespräch. Somit muss der Patient seinen Willen, Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, in diesem Prozess viermal kundtun. Und nachdem die Bewertungskommission den Antrag bewilligt hat, muss der Patient noch ein weiteres Mal zustimmen.
Die Entscheidung wird getroffen, indem zunächst der Arzt das Anliegen des Patienten befürwortet und dann die Meinung eines Fachkollegen, der nicht in derselben Abteilung arbeitet, einholt. Dann benennt die Bewertungskommission zwei Experten, von denen einer Jurist sein muss. Mit deren Hilfe trifft die Kommission die Entscheidung. Bei positivem Bescheid kann der Arzt mit dem Prozess fortfahren. Der gesamte Prozess darf nur maximal vierzig Tage in Anspruch nehmen. Wird der Antrag abgelehnt, kann der Patient bei der Kommission und ggf. im nächsten Schritt beim Verwaltungsgericht Widerspruch einlegen.
Die Sterbehilfe wird im Krankenhaus oder in der Wohnung des Patienten durchgeführt. Das medizinische Personal hat das Recht, die Beteiligung an der aktiven Sterbehilfe bzw. Beihilfe zur Selbsttötung aus Gewissensgründen zu verweigern.

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