Streifzüge: Am Rand der Welt


Standort: Erste Etage, Área 0

Geheimnisumwitterte Inseln, am Rande der Welt, von mutigen Seefahrern am Beginn der Eisenzeit entdeckt, in den Wirren der Völkerwanderung vergessen, tausend Jahre später erneut entdeckt einschließlich der überlebenden Nachfahren der ersten Siedler – die Kanarischen Inseln boten Stoff für Erlebnisberichte, Legenden und Vermutungen. Zahlreiche illustre Häupter versuchten die Existenz der Inseln und ihrer Urbevölkerung zu erklären und entwarfen lebendige Bilder wunderbarer Orte mit fast idealen Gesellschaften, Sehnsuchtsorte. Im Lichte aktueller exakter Forschung schrumpften ihre Beschreibungen und Erklärungen zu Projektionen der eigenen Wunschvorstellungen, geboren aus der Kritik an der eigenen, als unzulänglich wahrgenommenen Gesellschaftswirklichkeit. Obwohl die moderne Archäologie in Verbindung mit Anthropologie und Naturwissenschaften ständig Erstaunliches über die Inseln und ihre Urbevölkerung herausfindet, verglichen mit den Legenden der Vergangenheit, an die noch heute viele Menschen glauben, wissen wir sehr wenig über Guanchen, Benehaoritas, Majos, Kanari-i oder wie sich die Bewohner der verschiedenen Inseln selbst nannten. Aber was wir wissen, ist bemerkenswert. Das Museo de la Naturaleza y del Hombre ist mit eigenen Mitarbeitern an allen wichtigen Forschungsvorhaben auf den Kanaren aktiv beteiligt und gibt uns in dieser und den anschließenden Abteilungen einen Einblick in den Stand der Wissenschaft.

Die Mutmaßungen über den Ursprung des kanarischen Archipels und seiner Bewohner orientierten sich an antiken Legenden und erklärten je nach Wunsch die Inseln zu Überres-ten des versunkenen Atlantis oder den sagenhaften Gärten der Hesperiden. Tatsächlich waren es wohl mutige Fischer von der südspanischen Atlantikküste, die im letzten vorchristlichen Jahrtausend die reichen Fischgründe vor der Küste Marokkos entdeckten und von dort aus bei guter Sicht die noch weiter entlegenen Inseln. Ihr Wissen gelangte im Laufe der Jahrhunderte an die Seefahrervölker aus dem östlichen Mittelmeer: Griechen und Phönizier. Von ihnen ging es auf die Karthager und die Römer über. Dass diese Seefahrer den Weg zu den Kanaren gefunden hatten, beweisen unter anderem an den Küsten der Inseln geborgene Amphoren phönizischer und römischer Machart. Die Ureinwohner der Inseln stellten solche Gefäße nicht her.

Wer schließlich die Besiedelung der Inseln und zu welchem Zweck in Angriff nahm, ist nicht überliefert. Wir dürfen von geplanten Aktionen ausgehen; denn die Siedler brachten Vieh und Getreide mit. Daraus entwickelten sich später Viehhirten-Kulturen. Möglicherweise war ihr Motiv die sich in Nordafrika ausbreitende Trockenheit, die einstmals fruchtbare Landstriche unbewohnbar machte. Möglicherweise gab es aber auch handfeste kaufmännische Interessen; denn auf den Inseln konnte man aus Meeresschne-

cken Purpur gewinnen, bis heute der teuerste Farbstoff, der in der Antike fast mit Gold aufgewogen wurde. Weitere begehrte Farbstoffe lieferte die in Küstennähe wachsende Färberflechte. Mit Sicherheit wurde hier auch damals aus gefangenen Fischen Garum erzeugt, eine begehrte Sauce, die je nach Abwandlung in keinem antiken Gericht fehlen durfte. Sardellen, aber auch Thunfisch oder Makrelen als Rohstoff für die Garum-Produktion gibt es reichlich in kanarischen Gewässern. In offenen Becken im Boden wurden sie fermentiert und in großem Stil zu der begehrtem Sauce verarbeitet. Großhändler verkauften sie in Amphoren abgefüllt im ganzen Römischen Reich.

Wie, auf wessen Schiffen  und warum auch immer die ers-ten Siedler hierher gelangten, sie stammten mit Sicherheit aus Nordafrika und gehörten zum libysch-berberischen Kulturkreis. Sie kannten aus dem Mittelmeerraum längst Metalle wie Eisen und Bronze und wurden damit bestimmt auch lange versorgt; denn auf vulkanischen Inseln gibt es keine Erze. Mit der Völkerwanderung und dem Untergang des Weströmischen Reiches entfiel vermutlich das Interesse an den Erzeugnissen der Inselbewohner. Der Schiffsverkehr zu den Inseln wurde jedenfalls damals aufgegeben, und der Mantel des Vergessens breitete sich über den Archipel. Seine Bewohner mussten, um zu überleben, mangels Nachschub an Metallen die Steinzeit teilweise noch einmal erfinden, und das in kürzester Zeit. Wir sollten das nicht unterschätzen.

(Fortsetzung folgt. Nächstes Thema: Sammlungen mit Wissenslücken)

Michael von Levetzow
Tenerife on Top

Museo de la Naturaleza y del Hombre, C/ Fuente Morales, Santa Cruz.

Geöffnet: Di.-Sa. 9 – 20 Uhr; So., Mo. u. Feiertage 10 – 17 Uhr.

Eintrittspreise: 5 € (Residenten 3 €); Senioren ab 65 Jahre 3,50 € (Residenten 2,50 €); Kinder unter 8 Jahren frei. Freier Eintritt jeden Fr. u. Sa. 16.00 – 20.00 Uhr (falls Feiertag 13.00 – 17.00 Uhr)

Audioguides in deutscher Sprache gibt es an der Kasse.

museosdetenerife.org

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