Teil 2: Erbsituation von Deutschen mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt auf den Kanaren


Die EU-Erbverordnung hat die internationale Erblandschaft total verändert

In Teil 1 dieses Beitrags in der Wochenblattausgabe Nr. 258 vom 6. Juli 2016 erläuterten Dr. Burckhardt Löber und Dr. Alexander Steinmetz die aktuelle Erbsituation, die für deutsch-kanarische Erbfälle seit dem 17. August 2015 gilt, also für Sterbefälle u.a. deutscher Staatsbürger ab diesem Datum mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt auf den Kanarischen Inseln. Grundsätzlich gilt in diesen Fällen das Erbrecht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts, es besteht jedoch für den deutschen Erblasser die Möglichkeit, seinen Nachlass dem deutschen Erbrecht zu unterstellen. Anhand von Beispielen werden die gängigsten Erbsituationen erklärt. Lesen Sie nun Beispiel 2 und die Schlussfolgerungen der Autoren. Der erste Teil des Artikels kann in der vorangegangenen Ausgabe des Wochenblattes und auf unserer Website www.wochenblatt.es nachgelesen werden.

Beispiel 2:

Wie voriges Beispiel, jedoch ist die Ehe kinderlos geblieben. Es leben jedoch zum Zeitpunkt des Ablebens des Ehepartners dessen Eltern. Wie ist die Erbsituation nach dem erstversterbenden Ehegatten?

a) Lösung bei Anwendbarkeit des spanischen Erbrechts des Código Civil

Da der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Puerto de la Cruz hatte und ohne Testament verstorben ist, richtet sich die Erbsituation nach dem spanischen Erbrecht des Código Civil. Nach Art. 837 CC steht dem überlebenden Ehegatten bei Vorhandensein der Eltern des Erblassers lediglich ein Nießbrauch von 1/2 des Nachlasses zu. Hinzu kommt aus güterrechtlichen Erwägungen ein Ausgleichsanspruch des überlebenden Ehegatten wegen Auflösung der Zugewinngemeinschaft durch den Tod (deutsches Recht, § 1371 BGB) von ¼. Die Eltern des erstversterbenden Ehepartners sind Miterben zu je 3/8. Auch hier hat der Ehegatte nur einen Nießbrauch.

„No existiendo descendientes, pero sí ascendientes, el cón­yuge sobreviviente tendrá derecho al usufructo de la mitad de la herencia.”

Ergebnis:

Der überlebende Ehepartner ist Miterbe zu ¼ und hat einen Nießbrauch an 1/2 des Nachlasses.

Die Eltern des Erblassers sind Miterben zu je 3/8.

b) Lösung bei Anwendbarkeit deutschen Erbrechts für den Fall einer Rechtswahl zugunsten des deutschen Erbrechts gemäß § 1931 I BGB ist der überlebende Ehegatte neben seinen Schwiegereltern gesetzlicher Miterbe zu ½. Im Hinblick auf die Auflösung der Zugewinngemeinschaft durch den Tod des Erblassers steht dem überlebenden Ehegatten ein Ausgleichsanspruch von ¼ am Nachlass zu. Damit erhöht sich der Erbteil des überlebenden Ehepartners auf ¾.

Ergebnis:

Der überlebende Ehepartner ist Miterbe zu ¾, wovon ¼ Zugewinnausgleich ist.

Die Eltern des Erblassers sind gemeinsam Miterben zu ¼.

c) Anmerkung

Die Rechtsstellung des überlebenden Ehegatten ist bei Anwendung des deutschen Rechts mit einem Erbanteil von ¾ wesentlich günstiger als die nach spanischem Erbrecht des Código Civil mit einem Nießbrauch an ½ des Nachlasses zuzüglich ¼ Erbanteil nach deutschem Ehegüterrecht.

QUINTESSENZ:

Die hier wiedergegebenen Beispielfälle beziehen sich auf die gesetzliche Erbfolge. Als Erblasser hat man jedoch die Freiheit und Möglichkeit, im Rahmen einer testamentarisch angeordneten Erbfolge andere, individuelle Nachfolgerege­lungen zu treffen. Aber auch testamentarische Verfügungen richten sich hinsichtlich ihrer Machbarkeit und Erfüllbarkeit nach den Regeln des anwendbaren Rechts. Bestimmt etwa der Erblasser, dass trotz Vorhandenseins von Kindern sein Ehepartner Alleinerbe werden soll, so lässt sich dieser Erblasserwille bei Anwendbarkeit des spanischen Erbrechts des Código Civil nicht verwirklichen: Die Abkömmlinge des Erblassers haben bei Anwendbarkeit des spanischen Erbrechts ein Noterbrecht, das auch durch testamentarische Verfügungen nicht umgangen werden kann.

Deshalb ist es von größter Wichtigkeit, zu wissen, welches Recht auf den jeweiligen Nachlass Anwendung findet. Der Erblasser kann dies, wie oben bereits ausgeführt, in Testamentsform durch Option für sein Heimatrecht bestimmen. Auch hier ist dann häufig guter Rat gefragt.

Die ab August 2015 geltende EU-Erbverordnung bietet eine gute Gelegenheit, entweder ein Testament zu errichten oder ein bereits vorhandenes Testament an die neue Rechtssituation anzupassen. Bei einem bereits bestehenden Testament sollte man auch überprüfen, ob es noch aktuell oder ganz oder teilweise überholt ist. Ohne Testament den Planeten zu verlassen, kann zu bösen und ungewollten Überraschungen – nicht zuletzt bei den Erben – führen.

Ein Beitrag von Dr. Burckhardt Löber und Dr. Alexander Steinmetz
Rechtsanwälte in Frankfurt/Main
Löber & Steinmetz Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB
info@loeber-steinmetz.de

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