Tourismusphobie?


Ein Graffiti in englischer Sprache an einer Mauer in Barcelona soll Urlauber darauf aufmerksam machen, dass der Tourismus nicht selten mit prekärer, unterbezahlter Beschäftigung einhergeht. Foto: EFE

Politik und Touristikunternehmen verurteilen die Konfetti- und Spray- Attacken auf einen Urlauberbus und ein Restaurant

Ein Graffiti in englischer Sprache an einer Mauer in Barcelona soll Urlauber darauf aufmerksam machen, dass der Tourismus nicht selten mit prekärer, unterbezahlter Beschäftigung einhergeht. Foto: EFE

Madrid – Arran, eine Gruppierung junger Aktivisten der katalanischen linken Unabhängigkeitsbewegung, hat mit mehreren rüden Aktionen gegen den Raubbau im Tourismusgewerbe protestiert.

Ende Juli stoppten mehrere vermummte Gestalten in Barcelona einen Urlauberbus. Sie zerstachen einen Reifen und sprühten „Der Tourismus tötet die Wohnviertel“ darauf. Bei einer weiteren Attacke wurden die Reifen von Mietfahrrädern zerstochen. Auch in Palma de Mallorca kam es zu ähnlichen Vorfällen. Ein Restaurant am Muelle Viejo gegenüber der Kathedrale wurde gestürmt und die speisenden Touristen mit Konfetti beworfen. Zudem be­stiegen jugendliche Protestler mehrere Jachten, die im Hafen von Palma lagen, und rollten Plakate mit der Aufschrift „Der Tourismus tötet Mallorca“ aus. Auch in verschiedenen Urlaubsorten entlang der Küste nordwestlich von Barcelona wurden Protestplakate aufgehängt und eine Hotelwand mit Graffiti-Parolen besprüht.

Die Attacken auf die „heilige Kuh“ Tourismus lösten einen Aufschrei der Branche und bis in höchste Kreise der Politik aus. Die Touristikunternehmer kritisierten die öffentlichen Demonstrationen gegen den Massentourismus in einem offenen Brief aufs Schärfste. Die Opposition im Stadtparlament von Barcelona beschuldigte Bürgermeisterin Ada Colau, die Ablehnung einer wirtschaftlichen Schlüsselaktivität noch zu fördern und warf ihr vor, die Übergriffe zu spät und zu lasch verurteilt zu haben.

Sogar Ministerpräsident Mariano Rajoy, der sich zur traditionellem Sommerbesprechung mit König Felipe auf Mallorca eingefunden hatte, äußerte sich ausführlich dazu. Man müsse den Tourismus pflegen und es sei unsinnig, diejenigen mit Füßen zu treten, die kämen, um Geld auszugeben. Spanien liege bezüglich des Fremdenverkehrs schließlich weltweit an dritter Stelle. Das Wirtschaftsvolumen des Sektors sei um 9% gewachsen, und 13% der arbeitenden Bevölkerung seien im Tourismus beschäftigt. Insgesamt 2,5 Millionen Spanier würden in der Branche arbeiten.

Andererseits ist nicht zu erwarten, dass die vandalismus-lastigen Proteste die Einnahmen aus dem Tourismus negativ beeinflussen werden. Der Professor für Tourismus und Hotelwesen, Oriol Miralbell, und der Professor für Geschichte und Geografie, Francesc López, beide von der Universität Barcelona, äußerten gegenüber der Tageszeitung El País, die Erfahrung mit gehäuften Presseberichten über Taschendiebstähle und „Sauftourismus“ in der Vergangenheit hätten gezeigt, dass inländische Presseberichte die Zielgruppe kaum erreichen und das Reiseverhalten nicht beeinflussen.

Auch wenn mancher aus Politik und Unternehmerschaft die Kritik am spanischen Fremdenverkehrsmodell als „Tourismus­phobie“ und Fremdenfeindlichkeit verunglimpften, sehen die Verwaltungen und Einwohner der spanischen Feriengebiete den Urlauberstrom aus dem Ausland positiv. Kritisiert wird vor allem die politische Handhabung verschiedener Probleme, die mit dem Massentourismus einhergehen, wie beispielsweise teure Mieten für Privatwohnungen, die durch eine hohe Zahl meist nicht angemeldeter privater Ferienwohnungen hervorgerufen werden, und die in der Branche vorherrschende prekäre und unter- bezahlte Beschäftigung.

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