Weltrechtsprinzip im Schnellverfahren abgeschafft


Aus Furcht vor einem Zerwürfnis mit China opfert die PP wichtige Rechtsgrundsätze

Die Regierungspartei PP hat kraft ihrer Mehrheiten im Kongress und im Senat in höchst unüblicher Verfahrensweise ein Gesetz durchgepeitscht, das, wenn es am 21. März Gültigkeit erlangt, den Weltrechtsgrundsatz im spanischen Recht weitgehend abschafft.

Madrid – Nach dem Weltrechtsprinzip kann nationales Strafrecht auch auf Fälle angewendet werden, die keinen Bezug zum Inland haben, sofern sich die Straftat gegen international geschützte Rechtsgüter richtet (in Deutschland §6 StGB).

In diesem Sinne sind beim Nationalen Gerichtshof in Madrid mehrere Verfahren anhängig, die Verbrechen, welche im Ausland begangen wurden, zum Gegenstand haben. Aufgrund der Klage einer Initiative aus Tibet wegen Völkermords und Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurden aktuell Haftbefehle gegen fünf ehemalige Spitzenpolitiker Chinas erlassen, was zu Spannungen zwischen der heutigen chinesischen Regierung und Spanien führt. Auch die Vereinigten Staaten sind nicht glücklich mit Verfahren zu den Menschenrechtsverletzungen in Guantanamo und zum Tod des spanischen Kameramannes José Couso im Irak durch den Beschuss eines Hotels voller ausländischer Pressevertreter durch eine US-Infanteriedivision.

Von der Politik wurden diese Verfahren stets mit Unbehagen betrachtet. Schon die sozialistische Regierung Zapatero gab dem Druck aus dem Ausland nach und schnitt im Jahr 2009 die Kompetenzen des Nationalen Gerichtshofes auf Straftaten mit „relevantem Bezug zu Spanien“ zurück, im Tibet-Fall beispielsweise gegeben durch die spanische Staatsbürgerschaft eines der Kläger.

Die konservative Regierung Rajoy schiebt dem aus Angst vor einem möglichen Zerwürfnis mit China nun endgültig einen Riegel vor. Nach dem neuen Gesetz muss mindestetens eines der Opfer zur Tatzeit Spanier gewesen sein, was dem Tibet-Verfahren ein Ende setzen wird. Ein Zusatz des neuen Gesetzes ordnete die Aussetzung aller anhängigen Menschenrechtsverfahren an, bis geprüft ist, ob sie nach der neuen Norm noch zulässig sind.

Die hastige Art und Weise, mit der das Gesetzgebungsverfahren durchgedrückt wurde – im verkürzten Verfahren mit nur einer Lesung ohne anschließende Debatte und mit der Beschränkung aller nötigen Fristen auf ein Minimum – rief bei den Abgeordneten der Opposition Befremden und Empörung hervor. Das hier angewandte verkürzte Verfahren ist gedacht für besonders dringliche Angelegenheiten und Gesetzestexte von geringer Komplexität. Es gilt jedoch nicht für Anträge, die nur von einer Partei unterstützt werden, oder gar für Rechtsreformen, welche die sofortige Einstellung von laufenden Gerichtsverfahren zur Folge hätten.

Außer Rajoys PP weigerten sich alle im Kongress vertretenen Gruppen, an der Abstimmung teilzunehmen, die sie als Farce betrachten. Die Abgeordneten der Vereinigten Linken verließen gleich zu Beginn der außerordentlichen Sitzung aus Protest geschlossen den Saal.

Es sei, als ob die chinesische Regierung die Tagesordnung des Kongresses bestimme, kritisierte ein Oppositionssprecher den Vorgang. Worte wie „Demokratiebetrug“, „Affront“, „Einmischung in die Justitzgewalt“ und „Machtapparat“ fielen.

Auch die Richter und Staatsanwälte des Nationalen Gerichtshofes sind mit der Reform nicht einverstanden und prüfen die Möglichkeit, die Verfassungsmässigkeit der Reform anzufechten. Die wird, abgesehen von der aufgezwungenen Schließung der der Menschenrechtsfälle, auch ihre Arbeit gegen das internationale Verbrechen erschweren.

Die sozialistische PSOE vertritt die Meinung, dass die Beschränkung des Weltrechtsgrundsatzes gegen von Spanien unterzeichnete internationale Abkommen verstößt und erwägt ebenfalls, die Angelegenheit vor das Verfassungsgericht zu bringen.

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