Richter werfen der Regierung Machtmissbrauch vor
Die Entscheidung der Regierung, vier wegen Folter verurteilte katalonische Polizisten gleich zwei Mal zu begnadigen und den Willen der Justiz bewusst und willentlich zu untergraben, hat die Richterschaft erzürnt.
Madrid – In einem Manifest beschuldigen sie die spanische Exekutive, „die Gewaltentrennung zu sprengen“ und den demokratischen Verfassungsstaat anzugreifen.
Ursprünglich verurteilte der Oberste Gerichtshof die vier Mossos d’Esquadra wegen Aussageerpressung zu Freiheitsstrafen bis zu viereinhalb Jahren. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die vier katalonischen Polizisten im Jahr 2006 Lucian Paduraru gefoltert hatten. Irrütmlicherweise hatten sie den rumänischen Staatsbürger für einen Bankräuber gehalten.
Im Februar dieses Jahres sprach die Zentralregierung in Madrid eine teilweise Begnadigung aus, minderte die Strafe auf zwei Jahre Gefängnis und tauschte das Berufsverbot gegen eine Dienstsuspendierung aus. Üblicherweise müssen Verurteilte bei einem derartigen Strafmaß ihre Gefängnisstrafe nicht antreten. Dem trat das Berufungsgericht von Barcelona entgegen und ordnete sehr wohl den Strafantritt aus „Gründen der Vorbeugung, der kriminellen Gefährlichkeit, der Ablehnung und der Unruhe in der Bevölkerung“ an. Wie ein störrisches kleines Kind wollte sich der Ministerrat die gerichtliche Auflehnung nicht bieten lassen und begnadigte nun die Polizisten zum zweiten Mal und vollständig.
Mit der Folge, dass fast 200 Richter – darunter zwei Vertreter des Obersten Gerichtshofes und ein Mitglied des Obersten Rates der Richterlichen Gewalt – die Grundfeste des demokratischen Verfassungsstaates als gefährdet ansehen und die Regierung von Mariano Rajoy in einem gemeinsamen Manifest anklagen. Das Verhalten des Kabinetts bezeichnen sie als „Affront gegen die richterliche Gewalt“, die Entscheidung zur zweiten vollständigen Begnadigung als „unvereinbar mit einem demokratischen Rechtsstaat, unrechtmäßig und moralisch untragbar“.
Die Justizvertreter erinnern daran, dass eine Begnadigung die Ausnahme sein sollte und „nur gerechtfertigt ist, wenn der Strafvollzug keinen präventiven, wiedereingliedernden oder dem Sühnegedanken entsprechenden Zweck verfolgt oder unverhältnismäßig erscheint“. Darüber hinaus stellten sie infrage, ob eine Regierung über dieses Privileg zur Änderung gerichtlicher Entscheidungen verfügen sollte.
Mariano Rajoy und seinem Kabinett werfen sie vor, den richterlichen Entscheidungen zuwider zu handeln, „die Gewaltentrennung zu sprengen und die Rolle der richterlichen Gewalt an sich zu reißen“.
Und das in einer vollkommen ungerechtfertigten Sache. Zum einen würde ein Verhalten, das bei der Polizei undenkbar sein sollte, auch noch unterstützt und die Rechtstreue Tausender Sicherheitskräfte missachtet, zum anderen der Folter, einem der schlimmsten Angriffe gegen die menschliche Würde, kein Tribut gezollt.
Am Schluss des Manifestes erheben die Richter eine eindringliche Mahnung: „Alle Personen sind ausnahmslos an die Gesetze gebunden. Diese spezielle Eigenschaft grenzt einen Verfassungsstaat von einer Diktatur ab, in der die unrechtmäßigen Machthaber sich über die Normen hinwegsetzen.“
Noch am selben Tag verteidigte Justizminister Alberto Ruiz-Gallardón das Verhalten der Regierung. Er führte an, das Kabinett verfüge nun einmal über das Vorrecht, Begnadigungen auszusprechen. Darüber hinaus hätten alle Voraussetzungen vorgelegen: keine Vorstrafen, wohlwollende Berichte und zweifelhafte Beweise.[bsa_pro_ad_space id=“8,13″ if_empty=“13″ delay=“5″]