BIP wächst dank fragwürdiger Berechnungsmethoden


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Drogenhandel, Prostitution und Rüstungsausgaben „steigern“ die Wirtschaftsleistung

Das spanische Bruttoinlandsprodukt (BIP), welches die Wirtschaftsleistung des Landes messen und vergleichbar machen soll, ist 2013 um 26,19 Milliarden auf 1,05 Billionen Euro gestiegen und fällt damit 2,5% höher aus als im vorangegangenen Jahr (1,02 Billionen Euro).

Madrid – Neun der 26 Milliarden Steigerung entsprechen dem Beitrag, den neuerdings zum ersten Mal fragwürdige und illegale Unternehmungen wie Prostitution, Drogenhandel und Schmuggel zur wirtschaftlichen Statistik leisten dürfen (das Wochenblatt berichtete).

Nach Angaben des Nationalen Statistischen Instituts INE machen die genannten Bereiche der Schattenwirtschaft 0,85% des BIP aus. 0,35% entfallen dabei auf die Prostitution und 0,5% auf den Drogenhandel.

In einigen anderen europäischen Ländern liegen ebenfalls schon Schätzungen vor: In Italien sollen der Drogenhandel und die Prostitution 1% der Wirtschaftsleistung des Landes ausmachen, in Großbritannien 0,7%, in Portugal nur 0,4% und in Deutschland 0,2%. Auf welcher Basis diese kühnen Schätzungen erfolgen, bleibt vage – 500 verschiedene Quellen sollen hinzugezogen worden sein. 

Die neuen Regeln für die Berechnung der Statistiken, welche die EU-Kommission vorschreibt, beschränken sich nicht nur auf die Einbeziehung krimineller Aktivitäten in die staatliche Statistik. Auch die Militär- und Rüstungsausgaben sowie Investitionen in Forschung, Entwicklung und Innovation müssen ab jetzt zur Berechnung des BIP herangezogen werden und gelten nicht mehr als Verbrauchskosten.

Auch wenn der Beitrag von Prostitution und Drogenhandel mit unter einem Prozent der Bruttoinlandsprodukte der verschiedenen europäischen Länder gering ist, hat sie doch Signalcharakter. Mit der Aufnahme der Schattenwirtschaft in die Beurteilung der Leistung eines Landes nimmt die wirtschaftliche und politische Landschaft in Europa kafkaeske Züge an. Sie treibt den schon bestehenden Keil zwischen der politischen Klasse, der Privatwirtschaft, die allem ihre Wachstums- und Profitlogik überstülpen muss, und der Bevölkerung nur noch tiefer.

Die einen sehen die statistischen Neuerungen pragmatisch als willkommenes weiteres Werkzeug, um die desolaten Wirtschaftszahlen zu schönen, oder als Anpassung an reale Verhältnisse, andere erleben diesen Schritt als Bankrotterklärung auf ganzer Linie – wirtschaftlich und politisch sowieso, menschlich erst recht.

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