Entscheidung über die Auslieferung vertagt


Bis über seine Auslieferung entschieden ist, widmet sich Carles Puigdemont in Brüssel – neben den Vorbereitungen zu den Regionalwahlen am 21. Dezember – relativ „normalen“ Tätigkeiten. So kamen er und die vier mit ihm geflüchteten Ex-Regierungsmitglieder einer Einladung zum Abendessen eines belgischen Abgeordneten nach. Auch wurde Puigdemont auf der Präsentation eines Buches über Katalonien während des Spanischen Bürgerkrieges gesichtet. Foto: EFE

Der Richter, der über die Auslieferung des Ex-Präsidenten Puigdemont entscheiden muss, benötigt Bedenkzeit bis 4. Dezember

Brüssel – Carles Puigdemont, der Ex-Präsident der katalanischen Regierung, und vier seiner Regierungsmitglieder, mit denen er nach Belgien geflüchtet war, mussten am 17. November vor Gericht erscheinen, wo über ihre Auslieferung nach Spanien entschieden werden sollte. Obwohl die belgische Staatanwaltschaft empfohlen hatte, dem Auslieferungsbegehren des Spanischen Nationalgerichtes nachzukommen, hat der Richter eine weitere Bedenkzeit verlangt, um die Beweislage genauer zu prüfen. Am 4. Dezember müssen die fünf „Flüchtigen“ erneut vor Gericht erscheinen.

Die Fristen des Europäischen Haftbefehls, ein Instrument, das im Gebiet der Europäischen Union derartige Vorgänge erleichtern soll, werden offensichtlich in die Länge gezogen. Wenn der Richter nach dem nächsten Termin, dem 4. Dezember, weitere zehn Tage benötigt, um seine Entscheidung bekannt zu geben, befindet sich Katalonien mitten im Wahlkampf, denn bekanntlich finden dort am 21. Dezember Regionalwahlen statt. Vermutlich werden noch Einsprüche erfolgen, sodass mit aller Wahrscheinlichkeit das letzte Wort aus Brüssel erst nach den Wahlen fallen wird.

Die Vernehmung der fünf katalanischen Regionalpolitiker und Unabhängigkeitsverfechter fand hinter verschlossenen Türen statt. Ihre Ankunft im ehrwürdigen Justizpalast verlief diskret und ohne Kameras und Medienrummel. Im Gegensatz zu dem Tag, als sie sich der belgischen Justiz stellten und als ihre Vernehmung vom frühen Morgen bis Mitternacht dauerte, war ihr Besuch nun bereits nach einer Stunde beendet. Zwei ihrer Anwälte, Paul Be­kaert und Christophe Marchand, bezeichneten die Atmosphäre während der Vernehmung als heiter und gelassen.

Von den fünf Delikten, die den geflüchteten Regionalpolitikern von Spanien zur Last gelegt werden – Rebellion, Aufruhr, Veruntreuung, Ungehorsam und Amtspflichtverletzung – ist Letzteres von der belgischen Staatsanwaltschaft ausgeschlossen worden, wie Rechtanwalt Marchand mitgeteilt hat. Sie halte das Beweismaterial für diesen Anklagepunkt nicht für stichhaltig.

Maßgeschneiderte Kandidatenliste

Am 18. November ist die Frist für die Abgabe der Kandidatenlisten abgelaufen, die sich am 21. Dezember in Katalonien zur Wahl stellen. In den Tagen zuvor hatte Carles Puigdemont mit den Führern seiner Partei, der PDeCAT, heftige Debatten geführt, um Personen seines Vertrauens auf die Liste zu setzen. Offenbar konnte der Ex-Präsident von Katalonien seinen Willen durchsetzen. In der Liste von Junts per Catalunya, die „Marke“ der PDeCAT für diese Wahlen, tauchen wenige Namen von Personen der Parteileitung auf, sondern eher Vertrauensleute Puigdemonts aus den Reihen der Unabhängigkeitsbewegung und natürlich die Mitglieder seiner Regierung, die sich gemeinsam mit ihm nach Brüssel abgesetzt haben. Marta Pascal, Leiterin des Wahlbüros der Partei, ist der Meinung, dass Puigdemont wieder Präsident in Katalonien werden sollte, auch wenn seine Partei die Wahlen nicht gewinnt. PDeCAT war die letzte Partei, die am 17. November ihre Kandidatenliste eingereicht hatte, weil sie immer noch in Verhandlungen mit anderen politischen Gruppen verstrickt war, um gemeinsam in die Wahl zu gehen.

Carles Puigdemont steht auf Platz eins der Liste für Barcelona, gefolgt von Jordi Sánchez, Ex-Präsident der ANC, der sich in Untersuchungshaft befindet. Auf Platz drei steht Clara Ponsatí, die zu den Regierungsmitgliedern gehört, die sich ebenfalls in Brüssel befinden, und eigentlich nicht mehr kandidieren wollte. Auch Nummer vier und fünf, Jordi Turull und Josep Rull, befinden sich zurzeit in Haft. Die Tatsache, dass sich die wichtigsten Kandidaten auf der Flucht oder in Haft befinden, beeinflusst nicht nur erheblich den Wahlkampf, sondern auch die Übernahme des Mandats als Parlamentarier, sollten sie die nötigen Stimmen erzielen.

Unbewiesene Behauptungen

Dass die Motoren für den Wahlkampf bereits heiß laufen, lässt sich an den Äußerungen der Generalsekretärin der ERC, Marta Rovira, erkennen, die allgemeine Empörung ausgelöst haben und den Präsidenten Mariano Rajoy zu einem heftigen Dementi veranlasst haben. Die PP-Regierung habe auf den verschiedensten Wegen damit gedroht, das Militär mobil zu machen, und es werde Tote auf den Straßen Kataloniens geben, wenn die einseitige Unabhängigkeitserklärung im Parlament beschlossen würde, erklärte Rovira. Diese Anschuldigungen seien durch zuverlässige Zeugenaussagen untermauert, versicherte sie, war jedoch nicht in der Lage, diese Zeugen zu benennen.

Nicht nur von Präsident Rajoy wurden die Behauptungen als große Lüge bezeichnet, auch die Verteidigungsministerin María Dolores de Cospedal wies diese als nicht tolerierbar zurück. Ganz allgemein war die Entrüstung groß, war doch in den letzten Wochen der Eindruck entstanden, dass sich die Unabhängigkeitsverfechter auf dem Rückzug befänden. Verschiedene führende Regionalpolitiker hatten angedacht, man könne auch einen anderen Weg in Richtung Unabhängigkeit einschlagen, oder Katalonien sei noch nicht reif dafür.

Die Parlamentspräsidentin  María Carmen Forcadell, die nach ihrer Verhaftung gegen Auflagen wieder auf freiem Fuß ist, hatte zu ihrer Entschuldigung erklärt, die Volksabstimmung vom 1. Oktober habe lediglich symbolischen Charakter gehabt und sei nur als eine Art „Probelauf“ zu bewerten. Für sie ist in der neuen Regierung, wenn die Separatisten die Wahlen gewinnen sollten, übrigens auch ein Posten vorgesehen.

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