Gefühlte Straffreiheit


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Generalstaatsanwalt Eduardo Torres-Dulce gehen die Korruptionsbekämpfungspläne der Regierung nicht weit genug

Im Verlauf des weit ausgreifenden Korruptionsskandals um schwarze Kassen, Bestechlichkeit und dubiose Parteienfinanzierung innerhalb der spanischen Regierungspartei PP, der nach deren ehemaligem Schatzmeister als der „Fall Bárcenas“ bekannt ist, hatte Ministerpräsident Mariano Rajoy im Februar vergangenen Jahres ein effektives Maßnahmenbündel zur Bekämpfung der Korruption versprochen.

Madrid – Dieses umfasst ein „Transparenzgesetz“, das in Teilen noch vom Abgeordnetenhaus abgesegnet werden muss, eine Reform des Parteienfinanzierungs-Gesetzes, ein Gesetz zur Regulierung der Ausübung hoher staatlicher Ämter und eine Strafrechtsreform.

Nun wurde die Gesamtheit der Anti-Korruptionsmaßnahmen von Rechts- und Politikwissenschaftlern sowie dem Generalstaatsanwalt und dem Präsidenten des Rechnungshofes vor der Verfassungskommission des Abgeordnetenhauses bewertet.

Generalstaatsanwalt Eduardo Torres-Dulce zeigte sich wenig überzeugt von den Anstrengungen, welche die Regierung unternommen hat. Er kritisierte das Fehlen legaler, finanzieller und personeller Mittel sowie den mangelnden Zugang der Anti-Korruptions-Ermittler zu öffentlichen Datenbanken. Er beklagte eine „ungenügende, verworrene Gesetzgebung mit Strafen, die nicht annähernd so hart sind, wie die Bürgerschaft es fordert“, eine „zum Verzweifeln langsame Vorgehensweise“, „kaum nachvollziehbare Freisprüche, obendrein ohne Rückführung der veruntreuten Gelder“, „nicht nachvollziehbare Verjährungen“, „unangemessene Begnadigungen“ und „schwarze Löcher bei der Umsetzung von Urteilen“. All diese Umstände würden den allgemeinen Eindruck entstehen lassen, „die Justiz begünstige die Mächtigen“.

Der Generalstaatsanwalt ging auch mit dem „Flickwerk des Strafgesetzes“ hart ins Gericht, das „unverhältnismäßige und unausgewogene Strafen in Bezug auf die aktuelle Reform“ aufweise. Es sei falsch von der Regierung, den Schwerpunkt auf die Verschärfung der Strafen zu legen, statt auf den Strafprozess und die gerichtliche Aufarbeitung. In der Kritik an der mangelnden gerichtlichen Aufarbeitung und Verschleppung der Prozesse stimmten alle Teilnehmer der Anhörung überein. Eine zügige Prozessführung sei sehr viel wichtiger als die Verhängung härterer Strafen.

Die Beschleunigung und Vereinfachung der Verfahren sind auch schon in einem Gesetzentwurf vorgesehen, den Justizminister Alberto Ruiz-Gallardón seit Längerem in der Schublade hat und der die veraltete spanische Strafprozessordnung ablösen soll. Es scheint jedoch unwahrscheinlich, dass dieser in der laufenden Legislaturperiode noch verabschiedet werden kann, weshalb Generalstaatsanwalt Torres-Dulce vehement forderte, wenigstens Teilreformen sofort durchzuführen. Die Verfahren müssten „einfacher, flexibler und schneller“ werden. Mammutprozesse, die sich „ewig hinziehen und ein Gefühl der Straffreiheit vermittelten“, könnten dadurch vermieden werden.

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