Keine Bank vor Ort


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Unter der massenhaften Filialschließung leiden Dörfer und dort ansässige Senioren

Vor mehr als einem Jahr hatte die Troika, die sich aus Internationalem Währungsfonds, Europäischer Kommission und Europäischer Zentralbank zusammensetzt, Spaniens „geretteten“ Sparkassen vorgeschrieben, unrentable Zweigstellen zu schließen.

Madrid – Von dieser Maßnahme sind insbesondere die kleinen Gemeinden auf dem Land betroffen, die häufig ihre einzige Bankenvertretung am Ort verloren haben. Wirtschaftsexperten und Gewerkschaften warnen davor, die betroffene Bevölkerung auszuschließen, was oftmals den sozialen Ausschluss zur Folge hat.

Die Zahlen sprechen für sich: seit 2008 wurden 9.760 Filialen geschlossen. Laut einer Studie der Gewerkschaft UGT mussten spanienweit über 226.000 Menschen zusehen, wie in 133 Ortschaften mit über 1.000 Einwohnern die einzige Bankenvertretung verschwand. Und täglich nehmen diese Zahlen zu, denn allein im ersten Halbjahr wurden im ganzen Land 2.000 Geschäftsstellen geschlossen.

Angesichts der Tatsache, dass Spanien noch vor einigen Jahren die Weltrangliste mit den meisten Bankfilialen pro Einwohner anführte, war aufgrund der Rezession und des Kreditschwundes ein Abbau des übermäßig großen Filialnetzes abzusehen und auch notwendig. Doch das Problem liegt weniger im Ob als im Wo. Denn gerade die Geschäftsstellen, die als unrentabel gelten und geschlossen werden, liegen oftmals in kleinen Ortschaften. Nach Angaben des UGT-Vertreters José Miguel Villa ist der Anteil der Dörfer ohne Bankenvertretung bereits auf 4,1% gestiegen.

Die Bürgermeister beklagen die Abwanderung der Banken aus den kleinen Ortschaften, die durch Kürzungen beim Gesundheits- und Bildungswesen sowie beim Transport schon genug gestraft sind. Auch wirkt sich die Schließung einer einzigen Bankfiliale spürbar aus, wenn es die einzige im Ort ist..

Auch hierzulande wird vieles über die Bank abgewickelt, Wasser, Gas, Telefon, Nahrungsmittel über das Konto bzw. mit der Karte bezahlt. Weil die Rente überwiesen wird und die Senioren manchmal nicht mit einem Automaten zurechtkommen – falls es überhaupt noch einen gibt – sind sie die am stärksten Betroffenen, denn eine Fahrt zur Bankenvertretung im nächsten Ort ist ihnen oftmals nicht mehr möglich und per Taxi unerschwinglich.

Die Experten warnen vor dem nun drohenden finanziellen Ausschluss bestimmter Bevölkerungsgruppen. Nach Angaben der Caritas müssen spanienweit drei Millionen Personen mit weniger als 307 Euro im Monat auskommen, auch hat ein wachsender Anteil der Bevölkerung keinen Zugang zum Finanzsystem. Eine Studie von MasterCard hat als typisches Profil das einer über 40 Jahre alten, arbeitslosen Frau mit ständigen finanziellen Schwierigkeiten herauskristallisiert. Auch befänden sich viele Senioren in ernster Gefahr des finanziellen Ausschlusses.

In Großbritannien kämpft man schon lange gegen dieses Problem. In einem Bericht des Parlaments aus dem Jahr 2011 wurden Lösungsvorschläge erstellt, darunter die Preissenkung von Finanzdienstleistungen für finanziell schwache Personen, die Kostenübernahme für Überweisungen seitens der Regierung und das Angebot von Finanzdienstleistungen seitens der Post. In Spanien wurde letzterer Vorschlag bereits aufgegriffen: Correos arbeitet mit der Deutschen Bank zusammen.

Bankia, die ein Drittel ihres Stellennetzes gekürzt und wegen der angekündigten Schließung von La Graciosas einziger Bankenvertretung jüngst auf den Kanaren für Furore gesorgt (das Wochenblatt berichtete), im letzten Moment jedoch die Entscheidung zurückgenommen hat, schickt manchmal einen Angestellten oder einen ganzen Filialbus aus, damit die Dorfbewohner zumindest einmal in der Woche Bankgeschäfte vor Ort tätigen können.

Auch gibt es Gemeinden, welche die Taxifahrt ihrer Bürger zur nächstgelegenen Filiale subventionieren.

So bitten die Stadtvorsteher um die Rückkehr der Banken, denn die aufgrund der Filialschließungen verursachten Probleme und der damit verbundene Aufwand für die Verwaltung, die Geschäftsleute und die übrigen Bewohner sind groß.

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