Knebel-Gesetz verabschiedet


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Gegen den geschlossenen Protest der Opposition drückte die Regierung ihr Gesetz zum „Schutz der Bürgersicherheit“ durch

Im Alleingang hat die konservative Regierungspartei PP das „Gesetz zum Schutz der Bürgersicherheit“ verabschiedet. Hinter diesem positiv erscheinenden Namen verbergen sich neue Regelungen, die von den Vertretern der verschiedenen Oppositionsparteien mit Begriffen wie „Repression“, „Freifahrtschein für die Polizei“, „Angriff auf die Bürgerrechte“ und „juristische Verirrung“ gegeißelt wurden.

Madrid – Alle kündigten einhellig an, dieses Gesetz werde in dem Moment, wenn die PP ihre absolute Mehrheit verliere, aufgehoben oder geändert.

Der sozialistische Abgeordnete Antonio Trevín bezeichnete die Verabschiedung des Gesetzes als eine „Rückkehr zum Polizeistaat“. Es sei unnötig. Unter dem Vorwand der Sicherheit beschneide man die Rechte der Bürger, indem per Verwaltungsrecht jede gerichtliche Kontrolle der Sanktionen umgangen werde.

Im Parlament selbst gab es verschiedene Protestaktionen. Auf der Zuschauertribüne sang der als „La Solfónica“ bekannt gewordene Chor der „Bewegung 15. Mai“, genannt auch die „Empörten“ (Indignados), ein Lied aus „Les Misarables“ und wurde des Saals verwiesen. Mitglieder der Partei Izquierda Plural standen während der Rede ihres Angeordneten Ricardo Sixto mit geknebelten Mündern da und wurden gerügt.

Wenn es im Senat keine Einsprüche gibt, tritt das Gesetz demnächst in Kraft. Es wandelt zahlreiche Vergehen, die bisher unter das Strafrecht fielen, in Ordnungswidrigkeiten um, die mit Bußgeldern zwischen 100 und 600.000 Euro belegt werden. Der Schutz, den die Prüfung durch einen Richter dem Bürger bietet, wird dadurch umgangen. Dieser muss zunächst alle Einsprüche des Verwaltungsverfahrens ausschöpfen und kann danach erst den Rechtsweg beschreiten, der dann – im Gegensatz zum Strafrecht – mit Gerichtsgebühren gepflastert ist, welche dieselbe Regierung einführte, die nun auch das „Knebel-Gesetz“ verabschiedet hat.

Neue Delikte und „heiße Abschiebung“

Des Weiteren werden durch das Gesetz neue Ordnungswidrigkeiten eingeführt, wie beispielsweise das Demonstrieren vor dem Parlament und den Regierungsgebäuden, Aktionen, die das Erklettern öffentlicher Gebäude beinhalten, sowie das Filmen von Polizisten.

Ganz zuletzt erst wurde durch einen Antrag im Parlament noch schnell die „heiße Abschiebung“ von Immigranten, welche die Zäune der Exklaven Ceuta und Melilla überwinden, in den Gesetzentwurf aufgenommen. Dadurch wurde die Bewertung dieser Maßnahme durch die Richter-, Staats- und Staatsanwälte-Räte umgangen. Die Flüchtlinge dürfen nach Inkrafttreten des Gesetzes postwendend an die Sicherheitskräfte auf der anderen Seite der Grenze übergeben werden. Das war bisher streng verboten, weil die betroffenen Menschen ein Recht auf anwaltliche Vertretung haben und auf die Überprüfung, ob sie minderjährig oder Flüchtlinge sind. Die „heiße Abschiebung“ läuft nach Auffassung des Abgeordneten Emilio Ollabarría (PNV) der spanischen Verfassung und verschiedenen internationalen Abkommen zuwider.

Schlagabtausch im Parlament

Der Generalsekretär der PSOE Pedro Sánchez, warf Regierungschef Rajoy in einer harten Auseinandersetzung im Parlament vor, mit den Gesetzen, die er verabschiede, die Rechte der Bürger zu beschneiden. Mehrfach nahm er dabei Bezug auf die Franco-Zeit. Es fehle nur noch, dass Rajoy sich den Satz des franquistischen Innenministers Manuel Fraga Iribarne zu eigen mache, der seinerzeit postulierte: „Die Straße gehört mir“. Er habe den öffentlich-rechtlichen Sender RTVE in ein neues „El Nodo“ (die Propaganda-Sendung der Diktatur, die als Vorschau in den Kinos gezeigt werden musste) verwandelt. Sánchez warf Rajoy außerdem vor, in einem weiteren Gesetzesprojekt die Möglichkeit schaffen zu wollen, unter nicht näher definierten „schwerwiegenden Umständen“ Abhöraktionen direkt durch den Innenminister anzuordnen, unter Umgehung einer richterlichen Genehmigung. „Sie machen Gesetze für die extreme Rechte, mit einem Gesetz, dass zu ihren Ängsten passt.“ Er wolle die Bürger mittels seiner absoluten Mehrheit zum Schweigen bringen. Rajoy warf Sánchez im Gegenzug Führungsschwäche vor und verglich ihn zu seinem Nachteil mit seinem Vorgänger, dem ehemaligen Generalsekretär der PSOE, Alfredo Pérez Rubalcaba.

Bürgerproteste in Madrid und Barcelona

In Barcelona gingen eine Woche nach der Verabschiedung des Gesetzes etwa 3.500 Menschen auf die Straße, um gegen das im Volksmund „Ley Mordaza“, Knebel-Gesetz, genannte Gesetzeswerk zu protestieren. Die Demonstranten kritisierten es als diktatorisch und „einen Rückschritt um mehr als 40 Jahre bei den bürgerlichen und politischen Rechten“. Zahlreiche Fotojournalisten hielten demonstrativ ihre Kameras hoch als Protest gegen das Verbot, Polizeibeamte zu filmen. Plakate mit dem Satz: „Überleben ist kein Verbrechen“ prangerten Demonstranten die Legalisierung der heißen Abschiebung von Flüchtlingen an. Auch in Madrid führten 500 Demonstranten einen Protestmarsch durch. Viele der Teilnehmer trugen einen symbolischen Knebel vor dem Mund.

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