Neuwahlen scheinen unvermeidbar


Als letztes Angebot schlug Podemos-Chef Pablo Iglesias dem amtierenden Präsidenten Pedro Sánchez eine Art Probekoalition vor, was von Sánchez abgelehnt wurde. Foto: EFE

König Felipe hat bereits Vertreter aller im Kongress vertretenen Parteien erneut zu Sondierungsgesprächen eingeladen

Madrid – Schwindelerregend und frustrierend nennt die Zeitung El País die derzeitige politische Situation im Lande. Und das nur 48 Stunden vor der Entscheidung, ob es Neuwahlen gibt oder ob es noch zu einer Einigung zwischen PSOE und Unidos Podemos, klarer ausgedrückt, zwischen Sánchez und Iglesias kommt.

Die Uhr tickt, die Zeit, sich noch zu einigen, wird immer kürzer, und Spanien steuert auf Neuwahlen am 10. November zu. Es wäre der vierte Urnengang in den letzten vier Jahren. In der Zwischenzeit, also in einer erneuten Wahlkampagne, sind für die amtierende Regierung noch wichtige Probleme zu bewältigen. Insbesondere wären der Brexit zu nennen oder die Urteile für die verantwortlichen Politiker des Abspaltungsprozesses in Katalonien, die sich noch immer in Haft befinden, und deren Strafen noch in diesem Monat verkündet werden sollen. Aber auch die rückläufige Entwicklung der Wirtschaft spielt eine wichtige Rolle. Unter der Wählerschaft macht sich eine zunehmende Verunsicherung breit, und politische Beobachter befürchten, dass die Wahlbeteiligung bedeutend abnehmen wird.

Praktisch alle wichtigen Vertreter von PSOE und Unidos Podemos haben in der vergangenen Woche auf entsprechende Fragen der Medien geantwortet, dass wohl nichts mehr zu machen sei. Ihre Führer hätten viereinhalb Monate gebraucht, um schließlich festzustellen, dass der „Gegner“ tatsächlich nicht einlenken wird.

Der letzte Kontakt auf Initiative von Pablo Iglesias dauerte weniger als zehn Minuten, in denen der Chef von Unidos Podemos mit Pedro Sánchez telefonierte. Es war die erste Kontaktaufnahme seit mehr als sechs Wochen und dauerte nur so lange, bis Sánchez seine Ablehnung des neuen Vorschlags ausgesprochen hatte. Es handelte sich dabei um eine Art Probekoalition. Unidos Podemos schlägt vor, eine gemeinsame Regierung zu bilden bis der Staatshaushalt – etwa Mitte 2020 – verabschiedet ist und bietet der PSOE an, danach könne sie Unidos Podemos wieder aus der Regierung entfernen. Gleichzeitig versichert Iglesias, die parlamentarische Unterstützung während der gesamten Legislaturperiode beizubehalten. Die Antwort von Pedro Sánchez war kurz und bestimmt: „Es gibt keine Basis für eine Koalition – auch nicht für eine auf Probe“. Nach diesem zehnminütigen Gespräch, das offenbar in einer sehr angespannten Atmosphäre erfolgte, hatten die beiden Politiker ihren Teams mitgeteilt, nun sei es ernst, es sei nichts mehr zu machen, es werde zu Neuwahlen kommen.

Offenbar hatte Iglesias bis zu diesem Moment angenommen, Sánchez würde es nicht bis um Letzten kommen lassen und Wahlen riskieren, sondern noch ein Angebot machen, wie es im Juli der Fall war.

Seit der gescheiterten Investitur vom 25. Juli haben der Präsident und sein Team keinen Zweifel daran gelassen, dass das Koalitionsangebot, welches Iglesias während der Debatte abgelehnt hatte, nie wieder auf den Tisch kommen werde. In den beiden Verhandlungsrunden zwischen PSOE und Unidos Podemos, die der Investiturdebatte folgten, hatten die Vertreter der PSOE immer wieder unterstrichen, dass eine Koalition, gleich welcher Art, nicht mehr infrage käme. Nachdem der Podemos-Chef das Koalitionsangebot mit zwei Ministerien und mehreren hohen Verwaltungsposten abgelehnt hatte, gebe es keinerlei Vertrauen mehr. Wie aus dem Umfeld von Sánchez verlautete, hatte auch er erwartet, dass Iglesias seine Forderung nach einer Regierungsbeteiligung noch im letzten Moment zurückschrauben und seine Investitur unterstützen werde. Auch die Partner von Podemos, –  Izquierda Unida und Unidad Popular – wollen auf jeden Fall erneute Wahlen verhindern, haben aber keinerlei Druckmittel in der Hand.

„Wir hatten ihnen gesagt, dass uns die Beine nicht zittern, aber sie wollten es nicht glauben, nun wird es ernst“, verlautete aus den Umkreis von Sánchez. „Sie haben uns über alle möglichen Kanäle mitgeteilt, dass nichts mehr zu machen sei, aber es macht auch keinen Sinn, Sánchez die Investitur gratis zu geben“, erklärte ein Sprecher von Unidos Podemo. „Sie wollen unsere Stimmen nicht, sie wollen die Wahlen.“

Aus Regierungskreisen war zu hören, dass man sehr ruhig sei, doch hinter den Kulissen scheint es anders auszusehen. Alle wichtigen PSOE-Politiker schätzen das Risiko, ob ihnen die Bürger erneut an den Urnen folgen, sehr hoch ein. Vor allem beunruhigt die Tatsache, dass insbesondere die Links-Wähler das Interesse und das Vertrauen verloren haben und den Wahlen fernbleiben könnten. Auch die schlechteren Wirtschaftsdaten sind ein wichtiger Negativfaktor.

Nationalisten unterstützen die Investitur

Vertreter der nationalistischen Parteien, die am Montag mit König Felipe zusammentrafen, haben versichert, dass sie die Investitur von Sánchez nicht behindern werden, wenn es zu einem linken Regierungspakt mit Unidos Podemos kommen sollte. Mit Ausnahme der katalanischen Junts per Cataluyna, wollen sie auf jeden Fall Neuwahlen verhindern und zunächst keine Verhandlungen über eigene Angelegenheiten mit dem Kandidaten führen.

Das Vertrauen der Verbraucher, ein wichtiger Bestandteil bei der Berechnung der Wahlbereitschaft, ist im Monat August um 11,3 % zurückgegangen. 34 % der durch das Meinungsforschungsinstitut CIS befragten Bürger haben erklärt, die Politik löse in ihnen Misstrauen aus. 15,8 % fühlen sich von ihr gelangweilt und 13,3 % hätten keinerlei Interesse an der Politik. Nur 12,4 % haben ihr politisches Interesse bekundet. Mit Sicherheit keine guten Bedingungen, um eine große Wählerschaft zu mobilisieren.

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