Wandern und Entdecken: Kein Kupfer


Wenn es doch so einfach wäre! Bronze enthält Kupfer und läuft grün an, wenn sie der Witterung lang genug ausgesetzt ist. Alte Kupferdächer bekommen im Laufe der Zeit eine grüne Patina. Wir nennen das gelegentlich „Grünspan“, was chemisch nichts anderes ist als Kupferacetat. Kupfervitriol, eigentlich Kupfersulfatlösung, leuchtet ebenfalls herrlich türkisfarben. So ist es nachvollziehbar, wenn Besucher der blaugrünen Los-Azulejos-Felsen im Nationalpark auf ein Kupfervorkommen an diesem Platz tippen und sich meistens auch mit dieser selbstgefundenen (eigentlich selbsterfundenen) Erklärung zufriedengeben. Dabei übersehen sie, dass es in vulkanischem Gestein keine Erzlagerstätten, also auch keine geeigneten Kupfervorkommen geben kann. Kupfer spielt bei der Farbentstehung kanarischer Gesteine überhaupt keine Rolle. Gehen wir der Sache also während einer Wanderung auf den Grund.

Die Roques García, eine Gruppe skurril geformter Felsen am Fuß des Pico del Teide, sind wohl der touristische Hotspot Teneriffas schlechthin. Fast jeder der etwa vier Millionen Besucher, die den Nationalpark besuchen, hält hier an, steigt aus, fotografiert ein bisschen, läuft oder wandert ein Weilchen und fährt weiter. Weit mehr als 1000 Menschen sollte man dort oben während der Besuchszeiten stündlich erwarten. Wer es gern etwas einsamer hat, ist hier trotz des beliebten Rundwanderweges um die Felsen verkehrt. Stattdessen sollte man etwas weiter nach Süden in die ungefähr 100 m tiefer gelegene Ucanca-Ebene fahren und dort am ersten Parkplatz anhalten. Die Felsen sind zwar etwas weiter entfernt, aber so als Ganzes besser zu sehen – ein äußerst beliebtes Fotomotiv. Hier beginnt auch der Wanderweg 26, eine gute Alternative für Individualisten. Er führt über die Ebene hinweg immer näher an die Roques heran und erreicht schließlich deren ersten Vorpos­ten, La Catedral. Dieses kleine Felsmassiv aus hellem, leicht rötlich überlaufenem Phonolith-Gestein ähnelt mit seinem hohen Turm und einem niedrigeren Vorbau tatsächlich einer Kirche und ist etwa so groß wie der Kölner Dom. An ihm wurde auf Teneriffa Klettergeschichte geschrieben, und gelegentlich können wir dort Kletterer beobachten. Kurz darauf mündet der Weg in den oben erwähnten Rundweg, nur dass hier längst nicht mehr so viele Leute anzutreffen sind. Wegweiser mit einfachen Karten ermöglichen uns ab hier, selbst zu entscheiden, ob und wohin wir unseren Weg fortsetzen wollen.

Unterwegs zur Catedral können wir im Abhang an unserer rechten Seite und auch in weiterer Entfernung in den Steilwänden jenseits der Straße blaugrüne Partien im ansonsten eher weißlich-hellgelben Gestein erkennen. Sie heißen „Azulejos“, was man aber nicht als „Fliesen“ übersetzen kann. Im Spanischen erinnert normalerweise der Begriff „azulejos“ daran, dass im Mittelalter die ersten Fliesen blau glasiert waren. Hier muss man die Bezeichnung als „die Bläulichen“ oder „die Bläulinge“ verstehen. Die Straße von den Roques hinab zu unserem Parkplatz führt mitten durch ein größeres Areal dieser geologischen Besonderheiten hindurch. Es gibt dort einen Aussichtspunkt und auch Tafeln mit Erklärungen in spanischer und englischer Sprache, aber keinen Wanderweg. Übrigens: Das Mitnehmen noch so kleiner Steine als Andenken ist nicht nur hier, sondern im gesamten Nationalpark streng verboten. Blaugrüne Steine gibt es auf Teneriffa nur hier; wird man damit auch später erwischt, hilft keine Ausrede.

Ursache dieser seltsamen Färbung sind eine ganze Reihe verschiedener Minerale, die in frischer Lava niemals vorkommen. Epidot und Zeolith werden am häufigsten genannt, wobei die Bezeichnung Zeolith eine größere Gruppe verschiedener Minerale umfasst, die alle nach einem ähnlichen Schema aus verschiedenen (Halb-)Metallen, vor allem Natrium, Kalium, Calcium, Aluminium und Silizium aufgebaut sind. Sie liegen in unterschiedlichen Mengen als Oxide und Hydroxide in für Laien ziemlich komplizierten Verbindungen vor.

Jede Lava besteht zwar aus Mischungen dieser chemischen Elemente, aber die in Betracht kommenden Mineralien entstehen erst lange, nachdem sich die Lava abgekühlt hat und festes Gestein geworden ist. Um diese Veränderungen zu bewirken sind mehrere Faktoren nötig: hoher Druck, hohe Temperaturen und reichlich Wasser. Solche Bedingungen gab es vor mehr als 200.000 Jahren offenbar in dieser Gegend – und nur dort.

Bevor vor 175.000 Jahren der Vorgänger unseres Pico del Teide, der sogenannte Cañadas-Vulkan unter seinem eigenen Gewicht zusammenbrach und vor dem heutigen Icod de los Vinos ins Meer stürzte, hatten sich in dieser Region offenbar abflusslose Senken gebildet, in denen sich das Niederschlagswasser als kleine Seen sammelte und durch die Spalten im Boden versickerte, bis es auf heißes Gesteinsmaterial traf. Wegen des dort herrschenden hohen Gesteinsdrucks konnte es auf Temperaturen oberhalb 2000°C erhitzt werden. Unter diesen Bedingungen konnte es reichlich Mineralstoffe aus dem umgebenden Gestein lösen und wurde zu einem sehr reaktionsfreudigen Chemiecocktail. Die Hitze trieb diese heiße Suppe als Konvektionsströmung wieder Richtung Erdoberfläche. Auf diesem Weg durchquerte sie phonolithisches Gestein, griff dieses an und veränderte es. Ergebnis waren neben den genannten grünlichen Gesteinen auch sehr heller Illit und weißlicher Kaolinith, das Material, aus dem man Porzellan herstellt. Seit dem großen Bergsturz, der zur Entstehung von Cañadas und Pico del Teide führte, liegen diese Gesteine an der Erdoberfläche und komplettieren die breite Farbskala kanarischer Gesteine.

Michael von Levetzow 

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